so ergibt sich, daß die Kurfürsten, von deren Ankunft in Frankfurt, von deren Versammlung in der Bartholomäuskirche, von deren Wahleid und von deren Verhandlungen gesprochen wird, die Mitglieder des Kurfürstenkollegs überhaupt sein sollen. Die Bestimmungen ordnen gesetzlich das Verhalten der Kurfürsten insgesamt, ohne daß dabei die Möglichkeit ins Auge gefaßt wäre, daß einer oder der andere an der Ausübung seines Rechtes verhindert sein könnte. Das Gesetz berücksichtigt naturgemäß die Regel, wenn es nicht ausdrücklich auf Ausnahmen eingeht. Hätte der Gesetzgeber bei den Worten: ipsi vel maior pars ipsorum nicht die Gesamtheit der Kurfürsten, sondern nur die persönlich anwesenden oder durch Bevollmächtigte vertretenen gemeint, so hätte er das sicher ausdrücklich gesagt. Er mußte in diesem Falle etwa einen Ausdruck wählen, wie ipsi vel maior pars presencium, umsomehr als es sich dabei um eine Änderung des bisher geltenden Rechtes der Königswahl in einem sehr wichtigen Punkte gehandelt hätte. Wohl muß man sich hüten, an die Genauigkeit und Konsequenz mittelalterlicher Gesetzgeber zu hohe Anforderungen zu stellen; dennoch aber darf man bei einem im ganzen sorgfältig redigierten Gesetz, wie es die Goldene Bulle ist, nicht annehmen, daß in § 3 eines Kapitels eine pars maior der Kurfürsten als ausreichend zur rechtmäßigen Wahl genannt wäre, von welcher der Gesetzgeber stillschweigend im Hinblick auf einzelne Bestimmungen des vorhergehenden Kapitels voraussetzte, daß sie unter Umständen weniger als vier Stimmen betragen konnte, daß man aber in § 5 wieder in Übereinstimmung mit dem bisher geltenden Rechte die notwendige Majorität ohne Andeutung irgendwelcher Ausnahme als mindestens aus vier Stimmen bestehend vorausgesetzt hätte. Wir dürfen demnach nicht bezweifeln, daß c. II, § 3 ohne Rücksicht auf die Bestimmungen in c. I, § 1. 6 und 18 so zu interpretieren ist, wie es § 5 in Übereinstimmung mit dem bisher anerkannten Reichsrecht fordert, und wie es der Wortlaut und der Zusammenhang fast notwendig erscheinen läßt.
In diesem Sinne ist denn auch bei Gelegenheit der zweiten Königswahl nach Erlaß der Goldenen Bulle, bei der Ruprechts, unser Kapitel von den maßgebenden Kreisen verstanden worden. Die Wahl des Jahres 1400 schließt sich so eng an die Bestimmungen des § 5 an, daß sie wie ein Schulbeispiel zu der dort
Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)