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Exkurs II.
Die Anschauungen des 14. und 15. Jahrhunderts über das böhmische Kurrecht.
(Zu S. 170 ff.)

Die Worte, welche Henricus de Segusio als Cardinalis Hostiensis vielleicht in Erinnerung an Anschauungen, die ihm im Anfang des Jahres 1252 zu Braunschweig in der Umgebung König Wilhelms bekannt geworden sein mochten, in sein Glossenwerk zu einer Stelle der Dekretale Venerabilem eintrug, und welche im Anschluß an eine Aufzählung der Kurfürsten vom Könige von Böhmen besagen: Et septimus est dux Bohemie, qui modo est rex. Sed iste secundum quosdam non est necessarius, nisi quando alii discordant; nec istud ius habuit ab antiquo, sed de facto hoc hodie tenet, haben lange Zeit nachgewirkt. Haben sie vielleicht schon im 13. Jahrhundert mit dazu beigetragen, daß das Kurrecht des Böhmenkönigs eine Zeitlang durch die konkurrierenden Ansprüche des Herzogs Heinrich von Niederbayern zurückgedrängt werden konnte, so sind sie jedenfalls im 14. und 15. Jahrhundert die Grundlage geworden für die weitere Verbreitung und Ausgestaltung der sog. Obmannstheorie. Einige der in Betracht kommenden Quellenstellen hat Georg Waitz[1] zusammengestellt; doch kann diese Sammlung durch eine Anzahl zum Teil besonders bedeutsamer Stellen wesentlich ergänzt werden. Ich stelle daher das gesamte Material, soweit es mir bekannt geworden ist, hier nochmals zusammen.

Die älteste literarische Verwertung unserer Glosse findet sich in der Glosse zum Liber Sextus, welche Johannes Andreä nach der Annahme v. Schultes etwa um das Jahr 1305 verfaßt hat. Die Glosse gehört zu der gegen Friedrich II. erlassenen Depositionsbulle : c. Ad apostolice in Vlto de sent. et re judic. (II, 14, 2), und lautet an der in Betracht kommenden Stelle: et rex Bohemie olim dux. Et dicunt quidam, quod rex Bohemie de necessitate vocandus non est, nisi cum alii discordant, nec istud ius habuit ab antiquo, sed hodie de facto tenet. Et hoc per Host(iensem) de elect. Venerabilem. Johannes Andreä gibt fast genau den Text des von ihm zitierten Hostiensis wieder mit nur einer bemerkenswerten Änderung, indem er statt necessarius non est sagt: de necessitate vocandus non est. Er zieht damit einen Schluß aus der Angabe seiner Quelle, den andere Benutzer derselben wenigstens nicht ausdrücklich gezogen haben.


  1. Forschungen zur deutschen Geschichte Bd. 13, S. 209.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/263&oldid=- (Version vom 1.8.2018)