Gesetz nicht geregelten Seiten der Reichsverfassung hatten. Demgemäß nehmen denn die Reformpläne und Reformschriften von der Goldenen Bulle meist keine Notiz, wie die Reformation Kaiser Sigmunds, das Reichsreformprojekt von 1442[1] und der sog. Abschied geistlicher Fürsten von ca. 1453.[2] Eine Ausnahme macht aber Nikolaus von Cues in seiner dem Baseler Konzil vorgelegten Schrift De concordantia catholica, in deren drittem Buche er Vorschläge für die Umgestaltung der Reichsverfassung macht. Er lehnt sich an einzelnen Stellen offensichtlich an die Goldene Bulle an; so in c. 35, wo er von der Einführung jährlicher Zusammenkünfte der Kurfürsten und der Richter handelt. Die ganze Einrichtung ist im Anschluß an c. XII der Goldenen Bulle geplant, wie das namentlich der Vorschlag zeigt, daß die Versammlungen ohne großen Aufwand, absque pompa et gravibus expensis, stattfinden sollen, der an die bekannte Bestimmung jenes Kapitels erinnert, ferner in c. 36 und 37, wo die Eröffnung der Königswahl im Anschluß an c. II des Gesetzes geordnet wird, und namentlich das Formular des Wahleides engste Verwandtschaft mit dem der Goldenen Bulle zeigt.
Aus den gleichen Gründen wie in den Reformprojekten tritt auch in der Reformgesetzgebung die Goldene Bulle nicht stark hervor. Wohl wird gelegentlich eine ihrer Bestimmungen in Landfriedensgesetzen des 15. Jahrhunderts mit oder ohne ausdrückliche Nennung der Quelle wiederholt, auch wird in den Verhandlungen über die Reformgesetzgebung auf dem Wormser Reichstage im Jahre 1495 die Bedeutung des Appellationsprivilegs der Goldenen Bulle erörtert[3], im Mittelpunkte des Interesses stehen aber andere Fragen, als die in dem Gesetze behandelten.
Eine Nachricht über einen Sessionsstreit auf dem Reichstage zu Konstanz im Jahre 1507 gibt Zeugnis davon, in wie hohem
Ansehen die Goldene Bulle bei Kaiser und Fürsten damals
- ↑ Vgl. R. Smend, Neues Archiv, Bd. 32, 746.
- ↑ Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Bd. 6 (1873), S. 9 ff. Zur Datierung vgl. S. V.
- ↑ Nach freundlicher Mitteilung von R. Smend, der nächstens über die später den Appellationsprivilegien der Goldenen Bulle beigelegte Bedeutung handeln wird.
Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/249&oldid=- (Version vom 1.8.2018)