als Erzkanzler durch das Arelat und durch Gallien. Balduin, unter dessen maßgebendem Einflusse die Wahl seines Bruders sich vollzog, mag den neuen Modus der Ausfertigung von je einem Wahldekret durch jeden der geistlichen Kurfürsten mit der Gesamtheit der weltlichen durch den Hinweis auf die Erzkanzlerämter der drei Erzbischöfe begründet haben; der eigentliche Grund war ohne Zweifel die Umgehung des mainzischen Rechts auf die erste Stelle im Wahldekret. Damit war aber nach außen das Prävalieren des Mainzers überhaupt ziemlich verhüllt oder verdunkelt.
Die in der Garderobe des Kaisers aufbewahrten tria paria litterarum können nur die Originale gewesen sein. Das mag auffällig erscheinen, da doch die Dekrete von den Kurfürsten an den Papst gerichtete Schriftstücke waren. Aber auch im Jahre 1314 wurden die Wahldekrete beider Wählergruppen den Gewählten übergeben, und noch heute befinden sich die Wahldekrete für Ludwig den Bayern in München, die für Friedrich von Österreich in Wien. Freilich gab es zur Zeit der Doppelwahl von 1314 keinen Papst, so daß die Wahlanzeigen an den künftigen Papst adressiert werden mußten und vorläufig nicht an ihre Adresse befördert werden konnten; doch blieben die Schreiben ja auch noch nach Beendigung der Sedisvakanz in den Händen der Gewählten, wie der jetzige Aufbewahrungsort erweist. Vermutlich wurden also bei allen drei Wahlen die Originale der an den Papst gerichteten Anzeigen den Gewählten zu dem Zwecke übergeben, damit diese die Schreiben gewissermaßen als Beglaubigungsschreiben bei der persönlichen Nachsuchung der Kaiserkrönung überreichen sollten. Zu einer solchen Überreichung aber mangelte allen drei Gewählten die Gelegenheit.
Wie nun dem Papste vorläufige Mitteilung von dem Inhalt der Dekrete gemacht wurde oder doch gemacht werden konnte, zeigt der uns überlieferte Text des Wahldekrets von 1308. Hier liegt nicht eigentlich ein Wahldekret der Kurfürsten vor, sondern ein im Anschluß an den Text des Dekrets hergestelltes Notariatsinstrument über den Wahlakt. Dieses unter Benutzung des von Balduin von Trier mit den weltlichen Kurfürsten ausgefertigten Exemplars hergestellte Notariatsinstrument ist nun, soweit sich das heute beurteilen läßt, das einzige Exemplar einer Wahlanzeige gewesen, welches an die Kurie abgesandt
Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/232&oldid=- (Version vom 1.8.2018)