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er im Vertrage von Fürstenwalde die Mark für sich und sein Haus erwarb, durch einen Nebenvertrag aber dem letzten Wittelsbacher Markgrafen für dessen Lebensdauer den Besitz des Kurrechts und Erzkämmereramtes überließ, so verstieß er damit jedenfalls gegen den Geist des Gesetzes, wenn man allenfalls auch den Wortlaut des c. XX so deuten konnte, daß zwar niemand das Kurrecht in Anspruch nehmen dürfe, der nicht zuvor das Kurland erlangt habe, daß hingegen wohl der Besitzer des Kurlandes auf das Kurrecht verzichten könne.

Sind somit egoistische und dynastische Absichten nicht die Motive der Gesetzgebung gewesen, so hindert uns nichts, ja es erweist sich als unbedingt nötig, daß wir die offiziell angegebenen Beweggründe auch als die wirklichen anerkennen. Das Wohl des Reiches ist das Ziel des Gesetzgebers. Er will es fördern, indem er durch gesetzliche Festlegung des Majoritätsprinzips und die Schaffung von Garantien für dessen wirksame Durchführung das Reich vor zwiespältigen Königswahlen und damit vor einem Doppelkönigtum bewahren will, dessen verderbliche Wirkungen er selbst in den Anfängen seiner Regierung genügend erfahren hatte. Durch Abschließung des Kurfürstenkollegiums und Sicherung seines Bestandes wollte er die feste Basis für die Königswahl schaffen. Die Kurfürsten aber waren nicht nur die Schöpfer des Königs, sie waren auch seine festesten Stützen, sein höchster Rat und sein wichtigstes Organ für die Regierung des Reichs. Durch Sicherung und Erhöhung ihres Ansehns und ihrer Rechte, sowie durch eine Einrichtung, die ihnen die Möglichkeit regelmäßiger Teilnahme an den Reichsgeschäften geben sollte, wollte der Gesetzgeber die Säulen des Reiches befestigen. Aber auch die Bestimmungen, die sich nicht auf den Hauptinhalt der Goldenen Bulle, Königswahl und Kurfürstentum, beziehen, sind sämtlich auf Ordnung und Frieden im Reiche gerichtet. Das liegt auf der Hand bei den Kapiteln XIV und XVII, die sich mit dem Fehderecht und ungerechten Zöllen und Geleiten befassen. Ebenso wird man von vornherein geneigt sein, c. XV als ein im Interesse der Ruhe und Ordnung im Reiche erlassenes Gesetz zu betrachten, wenn hier auch eine gewisse Tendenz gegen die Städte und die kleineren Glieder des Reiches zu Gunsten der höheren Stände sich geltend zu machen scheint. Als geradezu städtefeindlich hat man mit einem gewissen Recht das Pfalbürgergesetz

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Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/207&oldid=- (Version vom 1.8.2018)