ersten bestätigte er die Echtheit der Urkunde seines Vaters Johann, indem er sie im vollen Wortlaut transsumiert; in der zweiten aber erkennt er auf Grund jener neu beglaubigten Urkunde das Kurrecht und die übrigen mit der Pfalz verbundenen Ehren und Rechte Ruprecht dem Älteren als Erben Rudolfs II. zu. Dabei ist nun sehr auffällig, daß in jener Urkunde König Johanns das Kurrecht Rudolfs lediglich in der Beschränkung auf die prima electio, die nächste Königswahl, anerkannt wurde; während nunmehr angeblich auf Grund jener Urkunde Ruprecht der Ältere die Anerkennung des Kurrechts ohne jede Einschränkung erhält. Es kann unmöglich dem Kaiser und dem Pfalzgrafen sowie ihren Räten entgangen sein, daß der Rechtsinhalt der neuen Urkunde weit über den der älteren hinausging, und diese daher nicht zur Begründung für jene genügte, und dieser Erkenntnis werden wir es zuschreiben dürfen, daß man es vermied, den Wortlaut der Urkunde Johanns mit der angeblich durch sie begründeten neuen Beurkundung in einem Schriftstück zu vereinigen. Jedem Leser der Urkunde über die Anerkennung des alleinigen Kurrechtes Ruprechts des Älteren hätte man damit eine Waffe gegen dieses alleinige Recht in die Hand gegeben; während man jetzt in der Lage war, mit der bedenklichen Begründung möglichst zurückzuhalten. Daraus würde aber zu schließen sein, daß ein Widerspruch gegen das ausschließliche Kurrecht Ruprechts zu fürchten war. Ein ausdrücklicher Verzicht der bayerischen Linie war also doch wohl kaum erfolgt. Sicher wäre die Berufung auf eine Verzichtsurkunde Ludwigs des Älteren weit wirksamer gewesen, als die auf jene Urkunde König Johanns.
Doch wie dem auch sei, Karl IV. hat Ruprecht I. damals als alleinigen rechtmäßigen Inhaber des pfälzischen Kurrechts feierlich anerkannt und sich auch bemüht, ihm die gleiche Anerkennung von anderen Kurfürsten zu verschaffen. Freilich ist uns nur ein Schreiben an Herzog Rudolf von Sachsen erhalten, in welchem der König ihn ersucht, einen Willebrief zu der Anerkennungsurkunde vom 22. Mai 1354 auszustellen[1]; doch dürfen wir wohl unbedenklich annehmen, daß entsprechende Aufforderungen
auch an andere Kurfürsten ergingen. Da aber kein
- ↑ Böhmer-Huber Nr. 1860 vom 27. Mai.
Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/175&oldid=- (Version vom 1.8.2018)