und noch viel später nicht so sehr. Am wenigsten aber dürfen wir annehmen, daß die Kurfürsten damals den Vorlagen des Kaisers mißtrauisch oder gar feindlich entgegengetreten wären und demgemäß in der Verhandlung über die Vorlagen möglichst viel an denselben in ihrem Interesse zu ändern gesucht hätten. Das ist ausgeschlossen nicht nur durch die in jenen Zeiten übliche Form der Verhandlung, sondern auch durch die damals gerade zwischen Kaiser und Kurfürsten herrschende Eintracht und Gleichheit der Interessen.
Eine gemeinsame Beratung des Kaisers mit den Kurfürsten muß unbedingt den Charakter einer formellen Verhandlung gehabt haben; die feierliche Form aber, in welche man in jenen Zeiten Verhandlungen und Beschlüsse zu kleiden liebte, war die der gerichtlichen Verhandlung und der Urteilfindung.
Über die Publikation des Gesetzbuches zu Nürnberg am 10. Januar 1356 berichtet als einzige Quelle die Einleitung der Goldenen Bulle selbst. Es heißt hier: infra scriptas leges ... in solempni curia nostra Nurembergensi, assidentibus nobis omnibus principibus electoribus ecclesiasticis et seculatibus ac aliorum principum, comitum, baronum, procerum, nobilium et civitatum multitudine numerosa, in solio maiestatis cesaree, imperialibus infulis, insigniis et dyademate decorati, ... de imperialis potestatis plenitudine edidimus, statuimus et duximus sancciendas sub anno Domini millesimo trecentesimo quinquagesimo sexto, indictione nona, IIII. Id. Ianuarii, regnorum nostrorum anno decimo, imperii vero primo. Wie haben wir uns den hier geschilderten Vorgang zu denken? Vielleicht so, daß der Hofkanzler des Kaisers den vollständigen Wortlaut der Gesetze vor dem im kaiserlichen Schmuck auf dem Throne sitzenden Kaiser, den Kurfürsten, Fürsten, Herren und Städteboten verlas? Möglich ist das, aber angesichts der Länge und der lateinischen Fassung der Texte nicht gerade wahrscheinlich. Die wohl mehr als eine Stunde in Anspruch nehmende Vorlesung des Gesetzbuches in einer Sprache, welche sicher vielen der in der Reichsversammlung Anwesenden schwer oder gar nicht verständlich war, wäre für diese eine harte Geduldsprobe gewesen. Unter den in der Einleitung von der
Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/162&oldid=- (Version vom 1.8.2018)