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deutsche Text des Weistums sagt, Dinge und Sachen zur Ehre und zum Nutzen des heiligen Reiches anzugreifen. Was die Kurfürsten im Kurverein zu Rense 1338 für sich in Anspruch nahmen, für das Recht und die Ehre des Reiches einzutreten, zu verhandeln und zu beschließen, hier ist es zum ersten Mal, wenn auch nur beiläufig, reichsgesetzlich anerkannt worden. Die Kurfürsten sind also nicht nur, was die Goldene Bulle wiederholt hervorhebt, die Grundfesten und Säulen des Reichs, sie sind auch die verfassungsmäßig berufenen Wächter seiner Ehre und seiner Wohlfahrt! Unser Kapitel ergänzt gewissermaßen c. XII, indem es dem Kurfürstenkollegium auch außerhalb des Rahmens der dort angeordneten Einrichtung die Stellung eines Reichssenats ausdrücklich zuerkennt.

Die drei letzten Kapitel (XXI–XXIII) des ersten Teiles, welche miteinander im engsten Zusammenhange stehen und ursprünglich wohl als eine zusammenhängende Satzung abgefaßt und erst später in drei gesonderte Kapitel zerlegt wurden, bilden eine Ergänzung der c. III und IV. Nachdem dort die Anordnung der Sitze für die einzelnen Kurfürsten bei Gelegenheit feierlicher Sitzungen, sei es im Rat oder bei Tische, in Gegenwart des Kaisers geregelt war, erfolgt in c. XXI und XXII die Regelung der feierlichen Aufzüge des Kaisers und der Kurfürsten. Freilich war schon in c. VI gelegentlich bemerkt worden, daß die geistlichen und weltlichen Kurfürsten ihre ihnen durch die vorstehende Ordnung (iuxta prescriptum ordinem atque modum) vorgeschriebenen Plätze unabänderlich und zwar eundo, sedendo vel stando beibehalten sollen und von ihnen durch andere etwa anwesende Fürsten nicht verdrängt werden dürfen. Damit war durch Einfügung des Wortes eundo die Sitzordnung auch auf die Prozessionsordnung ausgedehnt; doch war das einmal nur gelegentlich und außerdem ohne genaue Überlegung geschehen; denn die Sitzordnung, wie sie in c. III und IV gegeben war, ließ sich nicht ohne weiteres auf die Anordnung eines feierlichen Aufzuges übertragen. Wenn dort dem Erzbischof von Trier der Sitz gerade gegenüber dem Kaiser angewiesen wurde, so ergab sich daraus noch keineswegs, daß er ihm im Zuge unmittelbar voranschreiten solle. Daher mochte eine ausdrückliche Regelung des Aufzuges nachträglich wünschenswert erscheinen.

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Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/105&oldid=- (Version vom 1.8.2018)