Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung | |
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Vereinigung der Wesen in seiner Natur ohne Frucht ließ. Der erste Grad von sinnlichem Genuß, nach dem auch schon das Kind sauget, giebt uns Lebenssaft: er bereitet uns ein Edleres aus einer schlechtern Materie. Je feiner das Organ wird, desto geistiger sind die Kinder seines Empfängnisses: Düfte stärken und erquicken die Seele: Musik tröstet und labt das Herz mit himmlischem Tranke. Die Bilder,
– – Simulacra, pabula amoris
führen dem Geist zärtere Gedanken zu, als ihr Materielles selbst ist; und endlich Freundschaft und Liebe, jene die Ehe der Geister, diese der Körper, bringen uns einen Becher des Genusses mit den schönsten Früchten bekränzet. Freundschaft erweckt edle Empfindungen, Bestrebungen, Thaten; Liebe, wie die göttliche Frühlingssonne, belebt den zarten mütterlichen Weinstock mit Laub und Früchten. Die Schöpfungskraft des ersten Urhebers ist in sie geleget.
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_354.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)