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Apollo treten, fühlen Sie nicht, was Ihnen zu der Gestalt fehlet? Können Sie sie je hier erlangen, und kann sich Ihr Herz in derselben freuen, wenn Sie auch zehnmal wieder kämen? Und das war nur die Idee eines Künstlers, der glückliche Traum eines Sterblichen, den auch unsre enge Brust umschloß! Wie? der allmächtige Vater sollte keine edleren Gestalten für uns haben, als in welchen hier unser Herz wallt und ächzet? – Unsre Sprache, alle Mittheilung unsrer Gedanken, was ists mit ihr für ein Flickwerk! Auf der Spitze unsrer Zunge, zwischen Gaum und Lippen, in einigen buchstabierlichen Tönen, soll unser Herz, unsere innigste Seele schweben, und sich einem andern von daher so mittheilen, daß er uns fasse, daß er den Grund unsers Innersten fühle? Leeres Streben! armselige Pantomime in einigen Luftschwingungen und Gebehrden! Die Seele liegt wie ein siebenfach Gefesselter im Kerker, und kann nur durch ein festes Gegitter, durch ein paar Licht- und Luftlöcher hinaussehen,

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_327.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)