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konnten, oder selbst keine hatten: wars nicht gut, daß sie sie auch über die Zukunft nach diesem Leben mit sinnlichen Strafen schreckten? „Du Grausamer wirst zum Tiger, so wie du auch jetzt schon eine Tigerseele äußerst: Du Unreiner zur Sau, du Hoffärtige zum Pfauen – da mußt du lange büßen, bis du deiner entweyheten Menschheit wieder würdig geachtet werdest.“ Solche Anschaulichkeiten mit allem Ansehn der Religion gesagt, wirken ohne Zweifel mehr als metaphysische Subtilitäten. Jeder sah die Natur des Thieres und das Schicksal desselben vor sich: der Lasterhafte fühlte den Thiercharakter in sich, und nichts natürlicher, als daß er nun auch das Schicksal des Thieres, das ist, den reellen Uebergang in dasselbe befürchtete. Wenn diese Lehre also einmal etablirt war, so konnte sie vielleicht von manchen Lastern abziehen, zu manchen Tugenden gewöhnen. Wer wollte nicht lieber ein weisser Elephant als eine Sau seyn? zumal wenn man die Natur und das Schicksal der Thiere mit

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_322.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)