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damit sie einigermaßen nur Ersatz für fatale oder fatalverkürzte Zeiträume in dieser Welt erlangen können. An Fortrückung zu einem höhern Daseyn ist bey ihnen schwerlich zu gedenken.

     Th. Warum nicht? Niemand giebt wie Gott giebt, und niemand kann auch wie Gott ersetzen und vergelten. Allen Geschöpfen gab er das Daseyn aus freyer Liebe: wenn einige zurückgesetzt scheinen, hat er nicht Oerter, Einrichtungen, Welten gnug, wo er durch Eine Verpflanzung tausendfach ersetzt und belohnet? Ein zu früh gestorbnes Kind, ein Jüngling, der für dieß rauhe Erdenklima gleichsam zu zart war – alle Nationen habens gefühlt, daß ihn die Götter geliebet[1] und die werthgeachtete Pflanze in einen schönern Garten versetzt haben. Oder hat Gott etwa kein anderes Räumchen als diese Erde? Muß er ausjäten, um Platz zu gewinnen, und



  1. Ον οι θεοι φιλουσιν, ωποθνησκει νεος. Wen die Götter lieben, der stirbt jung.


Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_317.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)