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eilet, wie in der Schöpfung alles in einer Harmonie jauchzet, zu welcher Sonnen und Erden wie ein Klang gemessen, gezählt, gewogen sind, und es also gewiß auch das Schicksal, das Leben ihrer Bewohner in weit höherm Grad seyn muß. O wie groß ist das Haus, in dem mich mein Schöpfer erschuf, und o wie schön ists! schön zu Nacht und zu Tage; dort und hier Sonne- Mond- Sternenaussicht! Mein Gang ist die Bahn des Weltalls: dazu leuchtet mir auch jener letzte Stern, dazu klingt mir, in geistigen Begriffen und Verhältnissen, die Harmonie aller Sterne. – Aber ach, mein Freund, alles ist nur Dämmerung, Wahn und Vermuthung gegen das ungleich reinere und höhere Licht der Religion unsers Geistes und Herzens. Auf dieser Erde ist alles mit Bedürfniß umringt, und wir sehnen uns mit aller Kreatur, davon frey zu werden. Wir haben Begriffe der Freundschaft, der Liebe, der Wahrheit, der Schönheit in uns, die wir hier auf der Erde in lauter Schatten und Traumgestalten, so unvollkommen, so oft gestört, getäuscht,

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_293.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)