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warum scheuen und fliehen Sie denn die Erde? Wenn Sie in einer andern Menschengestalt freyer, weiser, glücklicher leben können, und so immer weiter im innern Zustande hinaufgehn: was kümmert Sie Ort und Scene? Seys dort oder hier – Welt Gottes ist Gottes Welt, Schauplatz ist Schauplatz. Auch unsre Erde ist ja ein Stern unter Sternen.

     Th. Wohl! mein Freund; aber wie weit läßt sich denn in unsrer Menschheit hinaufklimmen? Ist nicht ihre Sphäre so enge begränzt, so kothig und staubig wie dieser Stern selbst ist? Auch das beste Herz ist und bleibt immer ein Menschenherz, Körper bleibt Körper, und Erdenleben ein Erdenleben. Die Armseligkeiten der Geschäfte, der so unnützen und doch so nöthigen Lebensmühe, kommen wieder. Die Lebensalter mit ihren wechselnden Unvollkommenheiten kommen wieder. Auch in guten Eigenschaften bleibt der Menschenstamm hienieden immer in seine beyden Geschlechter vertheilt, die einander gegenüber auf einer Wurzel stehn, sich einander umschlingen

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_283.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)