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Und welche wären übrig? antwortete er im Unmuth. Sind sie nicht alle versucht worden, um Undankbare zu verbinden, und Unglücklichen durch ihre eigne Schuld das Unglück zu mehren? Laß mich, Tochter.

     Zürne nicht, Vater, sondern höre mich gütig an, wie du mich sonst hörtest. Die Mittel, die wir bisher an den Sterblichen versucht haben, waren ihnen auswärtige, fremde Mittel. Ein Gott mußte ihnen beystehen, ein Genius sollte sie warnen, ein höherer Geist für sie erfinden; was Wunder, daß sie diese fremden Wohlthaten sich zur Beute gemacht und gemißbraucht haben? was Wunder, daß sie endlich dieses ganzen stöhrenden Götterumgangs müde geworden sind? Das Gute quoll nicht aus ihrem Herzen: es ward nicht in ihrer eignen Seele gebohren. –

     Und was folgte draus, meine Tochter?

     Daß es ihnen auch nicht die Freude der Selbstempfängniß gab, den Grund der dauerndsten mütterlichen Freude. Offenbar, o Vater, versahen wirs in unsrer Menschenbildung, daß

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_229.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)