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Nacht und Tag.

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Nacht und Tag stritten mit einander um den Vorzug; der feurige, glänzende Knabe, Tag, fieng an zu streiten.

     Arme, dunkle Mutter, sprach er, was hast du wie meine Sonne, wie meinen Himmel, wie meine Fluren, wie mein geschäftiges, rastloses Leben? Ich erwecke, was du getödtet hast, zum Gefühl eines neuen Daseyns; was du erschlafftest, rege ich auf –

     Dankt man dir aber auch immer für deine Aufregung? sprach die bescheidne, verschleierte Nacht. Muß ich nicht erquicken, was du ermattest? und wie kann ichs anders, als meistens durch die Vergessenheit deiner? – Ich hingegen, die Mutter der Götter und Menschen, nehme alles was ich erzeugte, mit seiner Zufriedenheit in meinen Schoos: so bald es den Saum meines Kleides berrührt, vergißt es alle dein Blendwerk und neiget sein Haupt sanft nieder. Und dann erhebe, dann nähre ich die ruhig gewordne Seele mit

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_209.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)