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Fels zu beblümen. Vielfach theilten sie sich in ihr Geschäft. Schon unter Schnee und im kalten kleinen Grase fieng die bescheidne Demuth an, und webte das sich verbergende Veilchen. Die Hofnung trat hinter ihr her, und füllte mit kühlenden Düften die kleinen Kelche der erquickenden Hyacinthe. Jetzt kam, da es jenen so wohl gelang, ein stolzer[1], prangender Chor vielfarbiger Schönen. Die Tulpe erhob ihr Haupt: die Narcisse blickte umher mit vergeblich-schmachtendem Auge.

     Viel andre Göttinnen und Nymphen beschäftigten sich auf mancherley Art, und schmückten die Erde, frohlockend über ihr schönes Gebilde.

     Und siehe, da ein großer Theil von ihren Werken mit seinem Ruhm und ihrer Freude daran verblühet war, sprach Venus zu ihren Grazien also: „was säumt ihr, Schwestern der Anmuth? Auf! und webet von euren Reizen auch eine sterbliche, sichtbare Blüthe.“ Sie giengen zur Erd’ hinab und Aglaja, die Grazie der Unschuld,


  1. Vorlage: stolzender
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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_205.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)