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Flüchtig lief ihr Blick umher, und sie erwählte – wer hätte es gedacht? – einen der letzten aus der Zahl der Götter, den leichtsinnigen Zephyr.

     Sinnlose! sprach der Vater; daß dein Geschlecht auch in seinen geistigen Gestalten schon jeden buhlerischen, leicht auffallenden Reiz einer höhern stillern Liebe vorziehet! Hättest du diesen gewählt (er winkte auf Phöbus) du und dein ganzes Geschlecht hätte mit ihm die Unsterblichkeit getheilet. Aber jetzt, genieße deines Gatten!“

     Zephyr umarmte sie, und sie verschwand. Sie verflog als Blumenstaub ins Gebiet des Gottes der Lüfte.

     Als Jupiter die idealischen Gestalten seiner Welt zur Wirklichkeit brachte, und der Schooß der Erde dastand, die verstobnen Blumenkeime ins Leben zu gebähren, rief er dem über der Asche seiner Geliebten entschlummerten Zephyr: „wohlauf! o Jüngling, wohlauf! Bring’ deine Geliebte her, und siehe ihre irrdische Erscheinung.“ Zephyr kam mit dem Blumenstaube: Der Blumenstaub

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_199.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)