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nur sehr wenig. Ich hingegen (erlaube, daß ich mich meiner Armuth rühme und über meinen Mangel stolz bin) ich mit meinen sieben armen unscheinbaren Tönen, die nirgend pralen, die allenthalben nur stille verborgen liegen, mit ihnen bewege ich jedes fühlbare Herz; ja mit ihnen bauete und erhalte ich die Welt. Auf den Klang meiner Leier ordneten sich alle Dinge, auch deine schönsten Gestalten: nur das Verhältniß meiner Töne machte sie zu dem, was sie sind, und wodurch sie wirken. Ich gebe also mit wenigem viel; durch einige unsichtbare Wellen umringe ich das Herz unmittelbar, dringe zu ihm und reisse es fort: denn alle Saiten der Empfindungen sind meine Saiten; auf ihnen spiele ich, nicht auf diesen erzitternden Fäden des armen Instrumentes. Siehest du, daß unser Vater Apollo den Pinsel führe? aber die Citter führt er, denn Musik ist die Kunst aller Künste –

     Der Vater Apollo wollte, daß sie ihn aus dem Streit ließen: denn, sagte er, ihr seyd beyde meine Töchter, und ich führe ausser der Citter ja

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_160.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)