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Die Musen wußten nicht immer, wovon sie sprechen sollten und so kamen sie auf Streit über ihre gegenseitigen Vorzüge und auf den Werth ihrer Künste. Einsmals gabs eine dergleichen Confabulationen zwischen der Muse der Malerey und Tonkunst, von der ich durch geheime Nachrichten ein Wörtchen vernommen habe und die ich wieder erzählen will, weil Vater Apollo dabey das Präsidium führte. Der alte Jüngling saß unter seinem geliebten Lorbeerbaum und hatte die jüngste und liebste seiner Töchter, die Poesie, im Schooße. Ihre beyde ältern Schwestern saßen zur Rechten und Linken vor ihr und stritten über die Frage: welche von ihren Künsten, ob Malerey oder Tonkunst die meiste Wirkung auf menschliche Seelen habe?

     Ohne Zweifel die Meine, sagte die Muse der Malerey, denn das Reich meiner Wirkung

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_158.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)