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Die Morgenröthe.


Hast du die schöne stille Morgenröthe gesehn? Sie leuchtet hervor aus Gottes Gemach, ein Stral des unvergänglichen Lichts, die Trösterin der Menschen.

Als David einst, verfolgt von seinen Feinden, in einer schauerlichen Nacht auf dem Berge Hermon saß, und den Trauervollsten seiner Psalmen seufzte: „Löwen und Tiger brüllen um mein Ohr, der Bösen Rotte hat mich rings umgeben und ich seh keinen Helfer!“ siehe da ging die Morgenröthe auf. Mit glänzenden Augen sprang sie hervor, die frühgejagte Hindin, und hüpfte auf den Bergen und sprach zu ihm wie ein Engel auf den Hügeln: „Was grämst du dich, daß du verlassen seyst? Ich riß hervor aus dunkler Nacht; aus Grauenvoller Finsterniß ward Morgen.“

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_276.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)