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derselben wuchsen wie der gewälzte Schneeball in Gutem und Bösem. So schritt die Sage als eine Tochter des Gedächtnisses weiter, bis sie Kunst ward und diese Kunst hieß Dichtkunst. Das rohe Gold ward gepräget und die Sage selbst wars, die diese Prägekunst aufbrachte.

Jeder Erzähler nämlich will gut erzählen und da Er als Unterrichter der Weisere ist, so will er auch seinen Unterricht angenehm, dauerhaft, lebhaft, kurz auf die vollkommenste Weise einprägen. Hiemit war die Dichtkunst erfunden. Dieser Erzähler nämlich erfand seinen ererbten oder erworbenen Gedanken neue, stärkere, lebhafte, liebliche Bilder und Worte; jener den Worten abgemessene Sylbenmaaße, liebliche Töne. Die Geberdensprache brachte den Accent, die Modulation des Tanzes ausgesuchte Metra in die Rede und so war, ohne daß man beinah wußte durch wen? die Dichtkunst da. Jede Nation, die

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_120.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)