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begriffen halb oder gar nicht; sie erzählten indeß weiter. So wurden endlich Sagen ohne Sinn, Bilder ohne Verstand und Deutung. Mit den Geschlechtern kamen historische Umstände in die Erzählung und mußten hineinkommen, eben weil es Familiensage, Tradition der Kindheit war. Keine Mythologie der Welt hat sich also rein erhalten können, oder sie wäre keine Mythologie gewesen. Phantasieen über die Natur und Begegnisse des Geschlechts, der Nation, des Lebens webten sich zusammen; und so wenig jene eine reine Physik waren, so wenig waren diese eine reine Geschichte. In keiner von beiden aber wollte der menschliche Geist geflissentlich weder dichten noch lügen; er schauete an, und bemerkte, er druckte sich, so gut er konnte, in einer mit dem Gegenstande nicht zusammenhangenden, unvollkommenen, symbolischen Sprache aus und was noch mißlicher ist, er erzählte. Von Kind zu Kind ging die Sage fort und alle Dichtungen

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_119.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)