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erklärte man dem Seyn das Werden, den Tod aus dem Leben.


Die älteste Mythologie und Poetik also ist eine Philosophie über die Naturgesetze; ein Versuch, sich die Veränderungen des Weltalls in seinem Werden, Bestehen und Untergehen zu erklären. Dies ist sie bei dem tummsten Neger und ists bei dem klügsten Griechen gewesen; weiter kann, mag und will der menschliche Geist nicht dichten. Denn was sollte es sonst heißen: dichten? Etwa ex professo wie Satanas lügen? In einer menschlichen Seele begreife ich dies Wort nicht, außer sofern sie völlige Absurdidäten zusammensetzte und damit selbst ungereimt würde. Der Mensch erfindet nur aus Armuth, weil er nicht hat: er wähnt und dichtet, weil er nicht weiß. Und auch dann ist der Wahn seiner Dichtung eigentlich nichts als sinnliche Anschauung, von seinem bemerkenden innern

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_117.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)