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es wird sich selten aus Einem ins andre ein Gemählde vollkommen übertragen lassen, wenn es nicht von einem neuen Geist belebet und gleichsam neu erschaffen wird. Wie schlecht sieht es also mit aller knechtischen Nachahmung, mit jedem gelehrten Diebstal fremder Allegorieen und Bilder, endlich gar mit jenen poetischen Blumenlesen und Vorrathsschränken aus, in denen man sich fremde Lappen für zukünftigen Gebrauch sammlet. Unselige Uebung für Jünglinge, die zu solcher Bilderkrämerey gewöhnt werden! Lasset sie jedes schöne Bild, jedes treffende Gleichniß an seinem Ort lieben, schätzen und bewundern lernen, ohne daß ihnen ein Gedanke einkomme, Einen Zug desselben für ihr etwanniges Gemächte zu entwenden. Je wahrer und vollkommener ihnen das Bild an Stelle und Ort erscheinet, desto weniger werden sie räuberische Hände daran legen wollen, vielmehr von Eifer entbrennen, selbst an Stelle und Ort ein dergleichen

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_103.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)