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borget. Dort wache, hier träume ich; und man siehet, daß die Phantasie des Menschen auch wachend beständig fortträume.


Alle Gegenstände unsrer Sinne nämlich werden nur dadurch unser, daß wir sie gewahr werden, d. i. sie mit dem Gepräge unsres Bewußtseyns, mehr oder minder hell und lebhaft, bezeichnen. In dem Walde sinnlicher Gegenstände, der mich umgiebt, finde ich mich nur dadurch zurecht und werde über das Chaos der auf mich zudringenden Empfindungen Herr und Meister, daß ich Gegenstände von andern trenne, daß ich ihnen Umriß, Maas und Gestalt gebe, mithin im Mannichfaltigen mir Einheit schaffe und sie mit dem Gepräge meines inneren Sinnes, als ob dieser ein Stempel der Wahrheit wäre, lebhaft und zuversichtlich bezeichne. Unser ganzes Leben ist also gewissermaassen eine Poëtik: wir sehen nicht, sondern wir erschaffen uns Bilder. Die

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 094. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_094.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)