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Und noch umgiebt, Dich nähret und erquickt,
Was wärest Du? Kein Ich. Ein jeder Tropf
In deinem Lebenssaft; in deinem Blut

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Ein jedes Kügelchen; in deinem Geist

Und Herzen jeder regende Gedank’,
Und Fertigkeit, Gewöhnung, Schluß und That;
(Ein Triebwerk, das du übend selbst nicht kennst,)
Jedwedes Wort der Lippe, jeder Zug

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Des Angesichtes ist ein fremdes Gut,

Die angeeignet, doch nur zum Gebrauch.
So, immer wechselnd, stets verändert schleicht
Der Eigner fremden Gutes durch die Welt.
Er leget Kleider und Gewohnheit ab,

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Verändert Sprache, Sitten, Meinungen,

Wie sie der Zeiten rastlosgehnder Schritt
Ihm aufdringt, wie die große Mutter ihm
In ihrem Schooße bildet Herz und Haupt.


Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/95&oldid=- (Version vom 1.8.2018)