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von dieser reinen Abgezogenheit und Ehrfurcht-gebietenden Würde, von dieser jungfräulichen Andacht, diesem Mutter- und Kindessinn, ich möchte sagen, von diesem Engelsgefühl, sogar in den Werken der Alten etwas anders, als vielleicht nur hie und da eine in der Sinnlichkeit verhüllete Knospe findet? Hier ist sie hervorgegangen, die geistige Knospe; sie hat sich aufgethan in vielen Gestalten und Formen. – Um also auch nur die Werke der neueren Kunst in ihrem schönsten Zeitlalter zu verstehen, kann und darf uns die Legende nicht fremde bleiben.


Ein ganz eignes Gefühl ist es, dies süße Gefühl der Andacht. Es heftet so unabwendbar an und fesselt so ganz, läßt so vieles unmerklich hinschwinden und scheint uns mit wenigen Gedanken so viel, mit Einem Gedanken Alles zu geben! Dadurch macht es so unveränderlich, so heiter und stark in Sanftmuth. Der Löwe wird Lamm und das Lamm ein Löwe. – Spottet nicht der

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/292&oldid=- (Version vom 1.8.2018)