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Der Name Legende hat seit der Reformation seine Würde so sehr verlohren, daß man ihn in einem frostigen Wortspiel (Lügende) der Lüge für gleichlautend hält, und nur ein einfältiges, von Kindern und Weibern geglaubtes Mährchen mit ihm bezeichnet. Einst war dies nicht also. Legende hieß das Buch, das die Summe dessen umfaßte, was nicht nur durchs ganze Jahr hin dem Volk öffentlich vorgelesen, sondern auch zu seiner häuslichen Erbauung fast einzig in die Hand gegeben ward.[1] Und da


  1. Legenda, legendarius liber acta Sanctorum per anni totius circulum digesta continens, sic dictus, quia cerris diebus legenda in ecclesia et [272] in sacris synaxibus designabantur a moderatore Chori; vnde a Graecis συναξαρια appellantur. Du Fresne Gloss.
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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/271&oldid=- (Version vom 1.8.2018)