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5. Glaube endlich ist weder Wissen, noch Ahnen, weder ein bloßes Hoffen noch Wünschen; er ist eine stille Zuversicht des Unsichtbaren nach dem Maasstabe des Sichtbaren; nach der Analogie des Gegenwärtigen und Vergangenen ein Ergreifen der Zukunft. – Glaube ist ein Resultat unserer Erfahrungen, sie alle gleichsam und den ganzen Lauf der Dinge in Eine Formel gebracht und dem Gemüth einverleibet. So bauen wir auf die Natur, trauen ihr nicht zu, daß sie uns betrüge und handeln in diesem Glauben. So trauen wir unsern Sinnen und der belebten Natur, sofern sie innere Kräfte äußert; so den Zügen des Gesichts, der Rede des Menschen. Niemanden ist dabei untersagt, in einzelnen Fällen zu untersuchen, zu prüfen, zu zweifeln; den ganzen Glauben an die Zuverläßigkeit der in allen ihren Wirkungen wahren, in der ganzen Folge ihrer Wirkungen consequenten Natur hebt dieser Zweifel nicht

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/267&oldid=- (Version vom 1.8.2018)