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auf Jemanden eine Schuld ruhet, da wütet Er gegen das Schicksal und, indem er ihm entgehn will, reißt verblendet er es zu sich hernieder. Sowohl der zu weit sehen will, als der sich verhärtet, das was vor ihm liegt, nicht sehen zu wollen, ist sein und der Götter Feind. Sie warnen, ehe sie strafen. Jeder trägt in sich geschrieben seine Bestimmung. So sprach, dies zeigte das griechische Theater.

16.

Und so ist es. Wir tragen die Nemesis in uns. Jeder weiß, was er aus seinem vorigen Leben für Schuld und Vernachläßigung auf sich geladen, was er zu büßen, zu vergüten, einzuholen, zu tilgen, oft nur mit seinem Untergange zu tilgen habe. Die Last der Zukunft liegt unabwendbar auf ihm. – – Ein Grieche z. B. würde es für eine vom Schicksal selbst gesandte Verblendung gehalten haben, wenn ein Zeitalter die Fehler, die Laster, die Gräuel nicht sieht

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Sechste Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1797, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_6.pdf/241&oldid=- (Version vom 1.8.2018)