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Schwänke und Streiche aus Westpreussen.
Von
A. Treichel.
1. Die Katze als Kind.

In einem gewissen Dorfe in Westpreussen lebte ein kinderloses Ehepaar, welches sich dringend ein Kind wünschte. Nun geschah es einmal, dass die Frau krank wurde. Darüber freute sich der Mann sehr, weil er glaubte, seine Frau werde niederkommen. Voller Freude eilte er zu den Leuten, welche mit ihm in demselben Hause in einer Stube jenseits des Flures wohnten, und erzählte ihnen, dass jetzt das ersehnte Kind ankommen werde. Die Leute hörten das mit an und stellten sich, als ob sie es glaubten, aber es kam ihnen denn doch die Lust an, dem Manne für seine Einfalt einen Possen zu spielen. Deshalb ging die Frau hinaus und sagte, sie wollte nachsehen, ob das Kind schon da wäre. Allein auf dem Flur nahm sie einen Sack, steckte die Katze hinein, sodass nur der Kopf derselben aus dem Sack hervorsah, dann kehrte sie in die Stube zurück und rief: „Seht, Nachbar, das Kind ist glücklich angekommen.“

Der Mann sah sich den also gestalteten Kopf des Kindes an und meinte ganz erfreut: „Wie mir das Kind doch ähnlich sieht; das ist ja ganz und gar mein Gesicht, das sind meine Wunzen, das ist alles ganz so wie ich es habe.“


2. Die dumme Wirtin.

Ein durchtriebener Bengel, Namens Wuptig, kam eines Tages mit seinem Hunde, Namens Wups, in ein Wirtshaus und erzählte, sein Hund könne keine Kartoffeln fressen. Das wollte die Wirtin nicht glauben. Da schlug ihr der Bengel eine Wette vor und sagte: „Wenn der Hund keine Kartoffeln fressen kann, so gebe ich ein ordentliches Stück Geld; wenn er aber Kartoffeln fressen kann, so erhalte ich ein Quart Schnaps.“

Die Wirtin ging die Wette ein und dem Hunde wurden Kartoffeln vorgesetzt, welche sich derselbe denn auch gutschmecken liess.

Der durchtriebene Bengel erhielt seinen Schnaps und hätte nun auch gern dazu einen guten Imbiss gehabt. Deshalb legte er ein Geldstück auf den Tisch und sagte der Wirtin, dieselbe solle ihm dafür Schinken geben.

Die Wirtin war dazu bereit und meinte, ein Pfund könne sie ihm für das Geld wohl geben, aber mehr nicht; sie wolle nur erst das Pfundstück holen und dann abwiegen. Aber der durchtriebene Bengel meinte, das sei

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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 473. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_473.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)