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oder Rolands und Merveilleuse, das Schwert von Doolen von Mainz. Die Vilkinasage berichtet, dass die Mutter Wielands eine Elbin war, sein Vater ein Riese Namens Wate. Nach Ansicht von andern Gelehrten ist er selbst ein Lichtelf. Der irische Cluricaune ist selbst ein Schmied und der Landmann versichert, dass er das Gebirge oft von dem Schall seines Hammers wiederhallen hört.

In der Stadt Greifswald ist bei dem Volke, wie Alfred Maury weiter berichtet, die Ansicht verbreitet, dass vormals, zu einer Zeit, welche man nicht mehr bestimmen kann, das Land von einer grossen Anzahl von Zwergen bewohnt war. Man weiss den Weg nicht, welchen sie eingeschlagen haben, als sie davon gezogen sind, aber man glaubt, dass sie sich in die Berge zurückgezogen haben. Eine deutsche Sage erzählt, wie die Zwerge, welche Dardesheim bewohnten, durch einen Schmied verjagt wurden und dass man sie von da an nicht mehr gesehen hat. Eine ganz ähnliche Überlieferung berichtet aus dem Erzgebirge, dass die Zwerge durch Errichtung der Schmiede verjagt sind. In dem Harz gibt es dieselbe Sage. Das Volk von Nord-Jütland sagt, dass die Trolls Vendyssel verlassen haben, um sich dort nicht mehr sehen zu lassen.

Haben die Pygmäen-Völker der Wirklichkeit angehört? Ist die Überlieferung von ihrem wirklichen Dasein nur eine Fabel?

Ich neige zu der ersten Ansicht hin. Der durchgehende Zug in der Allgemeinheit dieser Sagen scheint mir zu Gunsten der Wirklichkeit dieser kleinen Rasse zu sprechen, deren Andenken sich bei allen Völkern so gut erhalten hat, mit jenen Ausschmückungen, wie dieselben die Vorstellungskraft der Völker zu erfinden sich gefällt.

Die Völker, welche der Geschichte angehören, haben fast überall eine kleine Rasse vorgefunden, welche sie an den Orten antrafen, wo sie auf ihren Wanderungen hinkamen.

Die Geschichtsbücher der Griechen, der Germanen, selbst der Japanesen erwähnen das Dasein einer Bevölkerung, welche vor Ankunft dieser Völker dort vorhanden war. Sie betrachteten diese Rasse als Kinder der Erde, des Bodens, als Sprossen des Landes; und diese Ansicht hatte ein Tacitus nicht verworfen, und das zur Zeit der vollen Blüte der römischen Bildung.

Im Gegensatz zu der behandelten war die erobernde Rasse von hohem Wuchs. Die Germanen, die Skandinavier, die Kelten hatten eine hohe Gestalt. Julius Cäsar berichtet (Kommentarien B. I), dass die Germanen die Römer verspotteten, welche in bezug auf den Wuchs nicht so gut weggekommen waren wie sie. Das römische Heer war durch die Berichte erschreckt, welche die Gallier und Kaufleute von der Grösse der Germanen abstatteten. Ein fränkischer König, Pipin, der Vater Karls des Grossen, wurde von seinen Vasallen wegen der Kleinheit seiner Gestalt verspottet.

Die Norweger sind noch jetzt auffällig durch die Grösse ihrer Gestalt. Die Griechen der alten Zeit waren grösser als die Griechen unserer Tage, wie man aus den archäologischen Entdeckungen der letzten Jahre zu schliessen hat.

Ein Blick auf die Rüstungen in unseren Museen genügt um zu erkennen, dass sie nicht für Menschen von kleiner Gestalt waren.

Empfohlene Zitierweise:
Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_411.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)