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Ein Passionsspiel aus dem österreichischen Alpengebicte. 139

phie anbelangt, geradezu erschreckenden Zustande befand, brauche ich den Kenner solcher alten Handschriften von Volksbühnendichtungen nicht weiter zu versichern. Insbesondere erscheinen die Verse durchaus nicht abgesetzt, die Reime oft verstüummelt. Ich habe mich bemüht, den Text so weit in Ordnung zu bringen, als dies, ohne dem alten Originale Gewalt anzuthun, möglich war. Wo Stellen absolut unleserlich und unverständlich sind, habe ich dieselben ausgelassen und durch — — bezeichnet. Gewöhnlich sind solche Stellen sehr kurz. Wo ich selbst einige Worte mit möglichster Zu- grundelegung des Lesbaren beifügte, erscheint dies zwischen Klammern |]. Die Abendmahlsszene befindet sich in einem eigenen Quarthefte, welches, von derselben Hand geschrieben, beiliegt und ist in dem Hauptmanuskripte an der bezüglichen Stelle durch die Bemerkung „Abendmahl“ darauf hin. gewiesen, wo diese Szene einzufügen ist. Noch wäre zu bemerken, dass ich das in der Handschrift verzeichnete dialogische Gespräch: „Beurlaubung Jesu von Maria“ zufällig auch in einem gedruckten alten, fliegenden Blatte fand, welches den Titel führt: „Drey schöne geistliche Lieder. Das erste: wie die allerheiligste Jungfrau Maria von ihrem geliebten Sohne sich beur- laubet etc....* (Steyr. Gedr. bei Joseph Greis.) Ich habe es nach diesem alten Drucke wiedergegeben, der natürlich korrekter ist als die Handschrift, wenn er auch noch immer manches zu wünschen übrig lässt. Das ohne Jahresangabe gedruckte Blatt dürfte zu Ende des vorigen Jahrhunderts die Presse verlassen haben, ob nach diesem das Lied in das Spiel eingefügt oder der Druck des Liedes einer andern Handschrift des Spieles entnom- men wurde, ist allerdings schwer zu entscheiden. Die Ausdrücke und Wen- dungen in dem Liede deuten jedenfalls auf ein schr hohes Alter desselben. Das Vorkommen der reimlosen Zeilen oder auch wohl der Prosastellen, welche mitten unter den Verszeilen vorkommen, erkläre ich mir durch will- kürliche Zusätze, welche der letzte Bearbeiter des jedenfalls sehr alten Grund- textes gemacht hat. Diese Erscheinung zeigt sich ebenfalls in allen Hand- schriften solcher Spiele, die ja stets Abschriften noch älterer Texte sind. Noch sind zwei Umstände zu erwähnen, welche die Form des nach- stehenden Textes betreffen. Die Handschrift beginnt nämlich nicht mit dem „Prologus“, sondern es geht demselben noch eine dramatische Szene vor, welche, da die ersten Blätter fehlen, nur ein Bruchstück genannt werden kann. Dieses Bruchstück ist aber einem andern Spiele entnommen, das unter dem Namen des „Schäferspieles‘‘ oder des „Spiels vom guten Hirten“ ebenfalls in Steiermark auf den Volksbühnen zur Darstellung gelangte. Ja Karl Weinhold hat eine Version des „Spiels vom guten Hirten“ sogar in seinem oben citierten Buche („Weihnachtslieder und Spiele“) zum Abdruck gebracht und die Szene zwischen dem Pilger und dem guten Hirten (S. 344 ff. des erwähnten Werkes) stimmt ziemlich genau mit dem Vorspiele meines Pas- sionstextes, soweit dasselbe in der Handschrift erhalten ist, überein, nur spricht an der Stelle von Weinholds „gutem Hirten“ ein „Jüngling“ mit dem Pilger über die Rettung des verlorenen Schäfleins, dessen allegorische Bedeutung dem Kenner der katholischen Religionsanschauung klar ist. — Der zweite Umstand betrifft den Prolog, welcher hier den Praecursor der alten Spiele des 16. Jahrhunderts ersetzt. Es findet sich nämlich in der Handschrift vor der Eröffnungsszene ein zweiter ähnlicher Prolog unter der Überschrift �

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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_139.png&oldid=- (Version vom 19.7.2019)