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und Geld mahlt, also als eine Mühle, ein anderes Mal wieder als ein Ding, welches Urbarmachung, Saat und alle Arten von Getreide mit sich bringt ohne Mahlen. Bei einer näheren Untersuchung der Handschriften sehen wir gleichwohl, dass diese beiden Auffassungen sich gewöhnlich in verschiedenen Varianten vorfinden, und das kann uns zu der Annahme bringen, dass hier zwei verschiedene Mythen zusammengeschmolzen sind. Dieser Knoten ist daher ein solcher, welcher gleich dem gordischen nur durch das Durchhauen gelöst werden kann. Die eine Auffassung des Sampo, als einer alles Mögliche durch Mahlen hervorbringenden Mühle, hat ausser allem Zweifel ihren Ursprung in der skandinavischen Grottesage. In ihr wird vom dänischen König Frode erzählt, in dessen Besitz sich eine Handmühle befand, welche alles mahlte, was der Besitzer sich nur wünschte, und er liess sie Gold, Frieden und Glück mahlen. Der König, habgierig wie er war, gab den Riesensklavinnen, welche beauftragt waren, die Grottemühle in Gang zu halten, kaum jemals Ruhe. Hierüber ergrimmt, sangen sie einmal Frode mit seiner ganzen Kriegerschar in den Schlaf. Inzwischen kam ein fremder Seekönig an das Land, tötete ohne Schwierigkeit Frode und raubte den Schatz. Auf dem Heimwege liess er die Riesenweiber unaufhörlich Salz mahlen. Um Mitternacht baten sie, ein wenig ruhen zu dürfen, aber der Viking verweigerte es. Da mahlten sie, während das Schiffsvolk schlief, in solcher Menge Salz, dass das Schiff versank mit allen Schätzen. Dort in der Tiefe mahlt Grotte fortgesetzt immer noch Salz, und daher hat das ganze Meer seinen Salzgehalt. In dem Gesange, welcher der prosaischen Grottesage beigefügt ist, kommt ausserdem noch die etwas abweichende Angabe vor, dass die Sklavinnen, nachdem sie ihren Schlummergesang beendet hatten, im Zorne so heftig mahlten, dass der Handgriff abbrach und der Mühlstein entzwei ging.

Die Ähnlichkeit mit dem Gesange vom Raube des Sampo ist unverkennbar: auch der Sampo ist eine Wundermühle, welche Mehl, Salz und Geld mahlt; Wäinämoinen kommt über das Meer in Pohjola an und schläfert hier das feindliche Volk mit seinem Gesange ein; der Schatz wird auf einem Schiffe weggebracht; auf dem Wege versinkt er (während des Streites mit Louhi) in die Tiefe des Meeres und zerbricht. Bemerkenswert ist auch das Schlusswort, welches die Sänger in Russisch-Karelien oft in ungebundener Form zusetzen; zuletzt mahlte der Sampo Salz, als er hinabsank, das thut er unten immer noch; deswegen ist das Meerwasser salzig, so dass es nicht mehr getrunken werden kann.

Was wiederum die andere Auffassung vom Sampo betrifft, so scheint es, meiner Meinung nach, mehr als wahrscheinlich zu sein, dass sie unter der Einwirkung des Gesanges von Sampsa Pellervoinen aufgekommen ist. Diese mythische Persönlichkeit pflügt im Beginne alles Land und besäet es mit mancherlei Samen, so dass alle Arten von Bäumen und Gewächsen, schliesslich auch das erste Getreide, das Korn, zu wachsen beginnen. Beim Pflügen benutzt er nach einem Teile der Varianten einen ungeheuren Ochsen. Hier kommen dieselben Dinge vor, das Pflügen, die Saat und alle Arten von Getreide, welche als vom Sampo hervorgebracht dargestellt werden; hier hat auch das Aufpflügen der Wurzeln des Sampo mit einem

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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_134.png&oldid=- (Version vom 21.11.2023)