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geändert hatte. War das durch den Wind geschehen, oder durch das Wasser und den Wind? Das wussten sie nicht und darum wollten sie es nun sehen. So zogen sie denn aus und kamen auch richtig an das Schloss des Teufels. Sie traten ein und fanden ihre Schwester in einem gar schönen Gemache bei dem Teufel. Die Schwester freute sich sehr, ihre Brüder bei sich zu sehen, diese wollten mit ihrer Schwester alsobald von dannen ziehen, aber daraus wurde nichts, der Teufel war riesenstark und warf sie alle sechs in das Verliess des Schlosses. Da sassen sie nun drin und es ging ihnen jämmerlich schlecht, denn der Teufel warf ihnen nur soviel Essen in das Verliess hinab, als sie brauchten, um nicht zu verhungern.

Wie aber ging es zu Hause der Mutter? Der Mann war tot und die Tochter war fort und nun kamen auch die sechs Brüder nicht mehr zurück. Das war nun ein schlimmes Leben. Die Frau härmte sich ab und lebte gar kümmerlich; kaum dass sie sich noch satt essen konnte, denn sie war zu schwach, um ein ordentliches Stück Feld bebauen zu können. Deshalb suchte sie es sich so gut einzurichten als es ging und steckte möglichst viel Erbsen in die Erde, denn das machte die wenigste Mühe und die Erbsen trugen reichlich.

Eines Tages nun, als die Bauerfrau in die Stube kam, da sah sie auf dem Boden eine Erbse liegen. „Die soll mir nicht umkommen“, dachte sie bei sich, und hob die Erbse auf. Aber diese entglitt ihren Fingern, fiel auf den Boden und rollte davon. Die Frau hob die Erbse wieder auf, diese entfiel ihr wieder und rollte wieder davon, und so ging das noch einige male. Als die Frau aber die Erbse wieder erwischt hatte, da steckte sie dieselbe in den Mund und ass sie auf. „Du sollst mir nicht wieder entwischen“ sagte sie zu sich, und mit der Erbse war es nun aus.

Aber nun geschah etwas seltsames. Als die Zeit um war, bekam die Frau ein Knäblein, das sie Rollerbselein nannte, denn es stammte von der Erbse her, welche immer auf dem Boden in der Stube fort gerollt war. Aus dem Knäblein wurde bald ein kräftiger Junge, daraus ein schöner und starker Jüngling, an dem seine Mutter ihre Freude hatte. Als derselbe herangewachsen war, erzählte ihm seine Mutter alles, wie es sich mit seinen Geschwistern zugetragen habe, dass die Schwester fortgegangen und nicht wieder gekehrt wäre, und dass die sechs Brüder ausgezogen seien, um sie zu suchen, aber sicher den Heimweg nicht gefunden hätten, denn dieselben wären auch nicht wieder heimgekehrt. Da beschloss Rollerbselein, seine Geschwister aufzusuchen. Die Mutter sorgte wohl um ihr Kind, aber da ihr Sohn doch gar nicht auf die Weise entstanden war, wie andere Menschen, so meinte sie auch, es werde ihm anders ergehen, wie den anderen Menschen. Und darin sollte sie mit der Zeit recht bekommen.

Eines Tages zog Rollerbselein aus, bevor noch die Sonne am Himmel aufgestiegen war. Weit, weit musste er ziehen, in die Kreuz und in die Quere, bevor er an das Schloss kam, wo seine Geschwister waren. Als er endlich an dasselbe kam, da hatte es sich gerade zugetragen, dass der Teufel ausgegangen war. Rollerbselein trat in das

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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_083.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)