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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932

Durchschnittsprofit erhält, so gibt doch R. Luxemburg damit indirekt zu, daß ihre Theorie von der Notwendigkeit der Realisierung des Mehrwerts falsch ist, so gibt sie indirekt zu, daß die Waren sich nicht zu ihren Werten, sondern zu Preisen, nämlich zu Produktionspreisen, austauschen, die von den Werten dauernd abweichen, da es nach Marx „die Durchschnittsrate des Profits ist, die allein die Produktionspreise herstellt" (Mehrwert II 1, S. 78). Sind ja im Marxschen System gleicher Durchschnittsprofit und von den Werten abweichende Produktionspreise korrelative Begriffe! Es ist daher ein offenbarer logischer Widerspruch, wenn R. Luxemburg aus ihrer eigenen Feststellung des empirischen Faktums des Durchschnittsprofits und seiner zentralen leitenden Rolle für den weiteren Gang ihrer Analyse keine Konsequenzen zieht, daß sie zwar die Existenz der Durchschnittsprofitrate anerkennt, gleichwohl aber an der Vorstellung festhält, daß die Waren zu ihren Werten verkauft werden! Die oben angeführte Stelle ihres Buches ist auch die einzige, wo sie vom Durchschnittsprofit und in verhüllter Weise von den Produktionspreisen spricht. Nirgends aber wird diese Erkenntnis für die Analyse des Krisenproblems verwertet.

R. Luxemburg hatte offenbar selbst das Gefühl, daß das Wertschema eine wirklichkeitsferne Konstruktion ist, wenn sie in ihrer „Antikritik" vom III. Bande des „Kapital“ und dessen Verhältnis zur Wertlehre des I. Bandes sagt: „Denn hier steht im Mittelpunkt als eine der wichtigsten Entdeckungen der Marxschen ökonomischen Theorie die Lehre von dem Durchschnittsprofit. Dies gibt der Werttheorie des ersten Bandes erst realen Sinn.“ (S. 38.)

Sie stellt somit selbst fest, daß nicht die Wertlehre des I. Bandes, sondern erst die „Produktionspreise“ und der Durchschnittsprofit des III. Bandes einen „realen Sinn“ haben. Aber in ihrem Buche über die „Akkumulation“ und in ihrer „Antikritik“ werden die Produktionspreise nicht einmal erwähnt und es wird an der falschen Voraussetzung festgehalten, daß der Austausch der Waren zwischen I (v + m) und lie zu ihren Werten keine bloß methodologische Annahme, sondern in der kapitalistischen Wirklichkeit ein tatsächlicher Vorgang ist! So sagt sie z. B., daß der Lebensmittelbedarf für die Abteilung I des Schemas, durch das variable Kapital und den Mehrwert dieser Abteilung ausgedrückt, aus dem Produkt der Abteilung II „doch nur im Austausch gegen die gleiche Wertmenge des Produkts I erhältlich“ ist. (Akkumulation, S. 100, 311.) Noch in ihrem letzten posthum erschienenen Werke behauptet sie: „Alle Waren tauschen

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/99&oldid=- (Version vom 12.5.2022)