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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932

Schema aufgebaut ist – Werte, Mehrwerte, verschiedene Profitraten in den einzelnen Produktionssphären – keinen Zweifel haben. Wie ich an anderer Stelle gezeigt habe, ist der Mehrwert eine reale Größe. (Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz, S. 196.) Dies gilt jedoch nur für die Gesamtgesellschaft, für welche die Werte und Preise, daher auch Mehrwert und Profit, quantitativ identische Größen sind. Anders verhält sich die Sache in bezug auf die einzelnen Produktionssphären. Innerhalb dieser haben wir in der kapitalistischen Wirklichkeit nicht Werte, sondern die von ihnen quantitativ divergierenden Produktionspreise, wir haben nicht Mehrwertgrößen, sondern Profitgrößen. Kurz, die im Reproduktionsschema vorkommenden Werte und Mehrwerte sind, quantitativ betrachtet, keine Wirklichkeitskategorien, sie sind nicht unmittelbar in der Welt der kapitalistischen Wirklichkeit gegeben, sind vielmehr aus methodologischen Gründen der Vereinfachung freigewählte Annahmen, die zunächst der Wirklichkeit widersprechen. Nehmen wir zunächst die Werte. Ist es noch nötig, daran zu erinnern, daß bei Marx der Verkauf der Waren zu ihren Werten nur den Charakter einer theoretischen vorläufigen Annahme hat, daB aber Marx nie und nirgends behauptet, daB diese Annahme der Wirklichkeit entspricht? So wird doch im I. Band des „Kapital" ausdrücklich gesagt: „Wir unterstellen hier also . . ., daß der Kapitalist, der die Waren produziert, sie zu ihrem Wert verkauft“ (Kapital, I, S. 579) – ,,Wir unterstellen, daß die Waren zu ihrem Wert verkauft werden" (Kapital, I, S. 530). – Auch im II. Band wird der theoretische Charakter dieser Voraussetzung betont, indem Marx sagt: „Im I. Buch . . . wurde unterstellt, daß der Kapitalist . . . das Produkt zu seinem Wert verkauft“ (Kapital, II, S. 343). Aber nirgends wird behauptet, daß diese Annahme der Wirklichkeit entspricht, vielmehr wird das Gegenteil gesagt, daß man sich durch diese Annahme von der Wirklichkeit entfernt und prima facie mit ihr in einen offenbaren Widerspruch gerät. Mit ungewöhnlicher Klarheit konstatiert nämlich Marx bereits im I. Band des „Kapital“, daß der Verkauf der Waren zu ihren Werten nur für den von ihm angenommenen theoretischen ,,Normalverlauf“ gilt, „sofern“ und ,,wenn“ das Phänomen „rein“ vor sich geht: ,In seiner reinen Form bedingt der Zirkulationsprozeß den Warenaustausch von Äquivalenten. Jedoch gehen die Dinge in der Wirklichkeit nicht rein zu" (Kapital, I, S. 136). – Hier wird also der ,,reine“ Vorgang der Wirklichkeit gegenübergestellt. Nur im ersteren, nicht aber in der letzteren werden die Waren

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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/81&oldid=- (Version vom 11.5.2022)