Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932 | |
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Wesen“ der Dinge. Aber es wäre ein verhängnisvoller Fehler der ökonomischen Wissenschaft, wenn sie – in den umgekehrten Irrtum der Vulgärökonomie verfallend – nun in der Analyse bei dem gefundenen „verborgenen Wesen“ der Dinge verbliebe, ohne von ihm her den Rückweg zur konkreten Erscheinung, um deren Erklärung es sich doch handelt, zu finden, d. h. ohne die vielen Vermittlungen zwischen Wesen und Erscheinungsform zu rekonstruieren! Deshalb sieht auch Marx in diesem Wege vom Abstrakten zum Konkreten „offenbar die wissenschaftlich richtige Methode“. Hier „führen die abstrakten Bestimmungen zur Reproduktion des Konkreten im Wege des Denkens“, weil „die Methode, vom Abstrakten zum Konkreten aufzusteigen, nur die Art für das Denken ist, sich das Konkrete anzueignen, es als ein Konkretes geistig zu reproduzieren“. (Einltg. z. Kritik d. Polit. Okonomie, S. XXXVI).
An einem konkreten Beispiel zeigt Marx, daß es nicht genügt, die in der industriellen Produktion geschaffenen Werte auf das allgemeine Gesetz, d. h. darauf zurückzuführen, „daß die Werte der Waren bestimmt sind durch die in ihnen enthaltene Arbeitszeit“. Denn die empirischen Vorgänge in der Zirkulationssphäre, z. B. der praktisch sichtbare Einfluß des Kaufmannskapitals auf die Warenpreise, zeigt „Phänomene, die ohne sehr weitläufige Analyse der Mittelglieder eine rein willkürliche Bestimmung der Preise vorauszusetzen scheine“, so daß der Schein entsteht, „als ob der Zirkulationsprozeß als solcher die Preise der Waren bestimme, unabhängig (innerhalb gewisser Grenzen) vom Produktionsprozeß“, also von der Arbeitszeit. Um also das Illusorische dieses Scheins nachzuweisen und den „inneren Zusammenhang“ zwischen dem Phänomen und dem „wirklichen Vorgang“ herzustellen – was „ein sehr verwickeltes Ding und eine sehr ausführliche Arbeit ist“ – , „ist es ein Werk der Wissenschaft, die sichtbare, bloß erscheinende Bewegung auf die innere wirkliche Bewegung zu reduzieren“ (Kapital, III 1, S. 297), „ganz wie die scheinbare Bewegung der Himmelskörper nur dem verständlich, der ihre wirkliche, aber sinnlich nicht wahrnehmbare Bewegung kennt“ (Kapital, I, S. 314).
Das entscheidend wichtige „Werk der Wissenschaft“ ist also, die „Vermittlungen“, die „Mittelglieder“ zu finden, die von dem Wesen zum konkreten Phänomen führen, da ohne diese Mittelglieder die Theorie, d. h. das „Wesen“ der Dinge im Widerspruch zur konkreten Wirklichkeit stünde. Mit Recht verspottet Marx solche
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/78&oldid=- (Version vom 14.1.2023)