Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932 | |
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VI.
Neben Sport, Kino und Radio spielt die Kleingärtnerei in der Nachkriegsperiode als Freizeitverwendung eine wichtige Rolle. Sowohl über den Umfang wie über die Ursachen der Bedeutung der Kleingärtnerei liegt schon viel Material vor. Vor dem Krieg bestanden in einer Reihe von Ländern bereits die Schrebergarten, die sich nach dem Krieg zusammen mit Kleintierzucht stark fortentwickelt haben. Die Zunahme von Kleingärtchen hat schließlich in den meisten europäischen Ländern zur Gründung von Organisationen geführt, die seit 1927 zu einer Internationale der Kleingärtnerorganisationen zusammengefaßt sind. Ihr Sitz befindet sich in Esch-sur-Alzette (Luxemburg); sie organisiert keine Berufsgärtner, sondern nur Liebhaber. Viele dieser Organisationen erhalten Staats- oder Gemeindezuschüsse. Wie von zuverlässiger Seite mitgeteilt wird, gibt es außer 2½ Millionen der Internationale angeschlossenen Mitgliedern, die mit ihren Familien auf 11 Millionen geschätzt werden können, noch abertausend von Kleingärtnern, die keinem Verband angeschlossen sind. Einige Ziffern über die organisierten Kleingärtner lassen wir hier folgen;
- Deutschland .... 432 544[1]
- England………..120 000
- Österreich……...34 392
- Belgien………….65 000
- Schweiz………...11 000
Bemerkenswert sind die verschiedenen Motive, welche zur Begründung der Kleingärtnerbewegung dienen. Neben dem Wunsch, sich in der Freizeit ein zusätzliches Einkommen zu schaffen, spielt zunächst das Moment der Erholung eine große Rolle. Die Arbeiter, soweit sie in den Großstädten ihrer Arbeit nachgehen, wollen ihre Freizeit in einer ruhigen Atmosphäre verbringen. Der Garten ist „der wahre Ruhe- und Erholungsplatz für den Menschen, der unter physischer und geistiger Überbelastung unter dem Druck unseres Maschinenzeitalters leidet“[2].
Wir finden ferner als Motiv den Ruf: „Zurück zur Natur“. Die Erde nährt uns, alles kommt nur von der Erde, so heißt es, und wir müssen ihr alle unsere Kräfte widmen. Damit zusammenhängend wird dann auf die Liebe zum eigenen Land und eigenen Boden hingewiesen.
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/263&oldid=- (Version vom 15.1.2023)