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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932

nach anderen Richtungen tendieren, sind ein Problem für sich; sie verschwinden in der großen Masse der „Anpassungs-Filme“ oder machen die Errichtung besonderer Organisationen für ihre Vorführung notwendig[1].

Natürlich gibt es auch andere Gesichtspunkte. Der Film hat dem Arbeiter in fremde Länder und weite Gesellschaftskreise Einblick gegeben, die ihm vorher nur aus der Literatur bekannt sein konnten. Dadurch hat er sich, wenn auch vielfach in verzerrter Form, nicht nur größere Kenntnisse der Lebensgewohnheiten und Auffassungen anderer Schichten angeeignet (die er wohl auch nachzuahmen versucht), sondern es sind in ihm Bedürfnisse geweckt worden, die er vorher nicht kannte.

Seitdem erkannt ist, daß der Film als Beeinflussungsmittel große Qualitäten besitzt, wird er auch bewußt in den Dienst der Massenbeherrschung gestellt. In Italien gibt es seit April 1926 eine Verordnung, nach der die Kinotheater des Landes verpflichtet sind, kulturell wertvolle Filme zu projizieren, die die Bevölkerung zu guten Bürgern erziehen und die nationale Erziehung fordern sollen. Weiter steht der Film in einzelnen Ländern im Dienste zahlreicher Unternehmungen, um die Belegschaft an den Betrieb fester zu binden. Von besonderer sozialpsychologischer Bedeutung ist die Herstellung und Vorführung von Kulturfilmen durch Arbeiterorganisationen und Genossenschaften als Gegenstück zu den Alltagsfilmen.

Eine tiefere Untersuchung des ganzen Filmproblems wird erst möglich sein, wenn in einer Reihe von Groß- und Provinzstädten über Anzahl der Kinos, Art und Qualität der gebotenen Filme, Alters- und Schichtenzusammensetzung der Zuschauer und über die von Arbeiterorganisationen veranstalteten Filmvorführungen genaueres Erhebungsmaterial vorliegt.

V.

Die Bedeutung des Rundfunks für die Freizeitverwendung läßt sich in wesentlichen Punkten mit der des Kinos vergleichen: die massenhafte Benutzung des Rundfunks als Freizeitverwendung, der universelle Charakter, den beide gemein haben, die aktive Beeinflussung und die Anpassung an den Geschmack und die Ideenwelt seiner Hörer, eine Anpassung, die ja noch viel detaillierter als beim

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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/261&oldid=- (Version vom 15.1.2023)
  1. In diesen Ausführungen wird der Film vom sozialpsychologischen Gesichtspunkt aus betrachtet; die Frage des künstlerischen Wertes lassen wir beiseite.