Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932 | |
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werden, daß besonders jüngere Arbeiter der Sportbewegung angehören, die zwar nicht zu den qualifizierten Arbeitern gehören, aber doch nicht als ungeschult angesehen werden können, da ihre Berufsausbildung öfters noch nicht abgeschlossen ist.
IV.
Ebenso wie der Sport fordert das Kino nur ein Mindestmaß an geistiger Anstrengung. Es dient als Emotionsentlastung und ermöglicht die Befriedigung natürlich vorhandener, jedoch von der Gesellschaft auf eine bestimmte Weise modifizierter Triebe. Für das Proletariat ist das Kino das einfachste und zweckmäßigste Mittel, seine wirkliche Lebenssituation zu vergessen und sich in eine andere, illusionäre Welt zu versetzen. Das Kino ist als Massengenußmittel besonders wegen seines Spannungswechsels und seiner Gefühlsreize brauchbar.
In einer vom Institut International du Cinématographe Educatif, Rom, herausgegebenen Schrift[1] wird mit folgenden Worten auf den Unterschied zwischen dem gesprochenen Wort (Vorträge) und dem Film hingewiesen:
„Das Wort ist am wenigsten geeignet, die von emotionellen Typen verlangte Stimmung hervorzurufen. Es richtet sich gewöhnlich an verantwortliche Elemente, bezieht sich auf Lebensäußerungen wie Politik, Kunst oder rein geistige Dinge. Dies alles hat nicht immer Interesse und ermüdet psychisch sogar durch die geistige Anstrengung, welche vom Zuhörer gefordert wird. Was beim Wort auch fehlt, ist das Element der Vorstellung, welche von größter Bedeutung ist. Man darf die suggestive Wirkung des Films, der das Leben in seiner Bewegung reproduziert, so wie es ist, des wegen nicht verkennen.“ (S. 246)
Die Frage des Einflusses des Films auf die Arbeitnehmerschichten ist wissenschaftlich bisher kaum bearbeitet worden. Die Film-Literatur befaßt sich fast ausschließlich mit der Bedeutung der Filmindustrie als großindustrieller Erzeugerin dieses Konsumtionsgutes oder mit dem ästhetischen Wert der Filme. Fest steht wohl, daß die Popularität, ja die Daseinsmöglichkeit des Films überhaupt der Anpassung entstammt, welche die in ihm produzierten Gehalte an die herrschenden Gedanken, Auffassungen und Triebwünsche der gegenwärtigen Gesellschaft vornehmen. Starker als Literatur und Vortrage ist der Film dazu geeignet, auf positive Weise der Masse bestimmte Gefühle und Gedanken aufzudrängen, welche sich vollkommen der vorhandenen Vorstellungswelt anpassen. Filme, die
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/260&oldid=- (Version vom 15.1.2023)
- ↑ „Les Aspects sociaux du Cinema“, H. 4, o, J.