Seite:Zeitschrift für Sozialforschung Jahrgang 1.pdf/256

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932

Produktionsweise und ihren spezifischen Arbeitsmethoden, andererseits mit den Möglichkeiten und Grenzen der Bedurfnisbefriedigung innerhalb der Freizeit.

Nachstehend wird auf Umfang und Bedeutung einiger Arten der Freizeitverwendung hingewiesen. Eine Typologie wird angestrebt, kann aber bei dem heutigen Stand der Untersuchungen noch nicht vorgelegt werden.

Am allerwichtigsten erscheinen uns diejenigen Arten der Freizeitverwendung, die Massencharakter tragen und in ständiger Verbreitung begriffen sind. Als solche nennen wir zunächst Sport, Kino, Rundfunk und Kleingärtnerei.

III.

Mehr als in anderen Zweigen der Freizeitgestaltung ist der Sport in seinen vielen Verzweigungen imstande, die in der Arbeiterschaft vorhandenen Bedürfnisse zu befriedigen. Von ganz verschiedenen Gesichtspunkten aus muß dem Sport im gegenwärtigen Zeitalter eine besondere Bedeutung beigemessen werden, und zwar physiologisch, indem er ein Gegengewicht zu der alltäglichen einförmigen, maschinellen Arbeit bildet; psychologisch, indem libidinöse Bedürfnisse, der Geltungstrieb, die Aggressionsneigungen und das Glorifizierungsbedürfnis hier in großem Maße befriedigt werden[1]; soziologisch, indem er die Annäherung von Mensch zu Mensch fördert und vom Standpunkt der gesellschaftlichen Gruppensolidäritat aus betrachtet eine wichtige Rolle spielt; ideologisch, insoweit die sportliche Betätigung ideell begründet wird (Stärkung der Volkskraft, des Nationalismus, der proletarischen Solidarität usw.); sozialpolitisch, insoweit er zweckbewußt auf die Aufrechterhaltung des physischen (und psychischen) Gleichgewichts des Arbeitnehmers tendiert; politisch, insoweit er offen oder verdeckt militaristische Ziele verfolgt. Einige wenige Einzelheiten sollen auf die nationalen Verschiedenheiten wie auf die große Wichtigkeit des Sports als sozialpsychologisches Problem hinweisen. In manchen europäischen Ländern, besonders in Frankreich und Belgien, besteht eine wahre „folie de sport“. Jean-Henri Adams[2] stellt aber dar, daß die große französische Sportbewegung nur eine Fassade ist, hinter der

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 1. Jg 1932. C. L. Hirschfeld, Leipzig 1932, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_Jahrgang_1.pdf/256&oldid=- (Version vom 14.1.2023)
  1. Wichtig für die Sozialpsychologie ist hier die Analyse der besonderen Gründe für die aktive und passive Sportbeteiligung.
  2. „L’Education physique et les sports" in: „Les loisirs et l’éducation populaire" (Les Cahiers du Redressement francais. No. 21. Paris 1927) S. 6.