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Nachklang gefunden haben. Auch die russischen und finnischen Märchen zeigen deutliche Spuren einer volkstümlichen literarischen Überarbeitung der Thalassionlegende. Es wäre der Mühe wert, die europäischen Volksbücher nach dem Schicksalskind und der überseeischen Fahrt zu durchsuchen.

Unter den böhmischen Volksbüchern fand ich zwei Texte, welche, nach unbekannten, sichtlich literarischen Vorlagen zwei Varianten des mit der überseeischen Fahrt verbundenen Schicksalskindes wiedergeben und sich, soviel ich ermitteln kann, von allen bisher bekannten Texten deutlich unterscheiden. Dieselben sind nur in Neudrucken der Škarnielbuchdruckerei von Skalice (in der ungarischen Slowakei) erhalten. Ich lasse hier die beiden Texte in kurzen Auszügen folgen.

Rybrcol na Krkonoských Horách (Rübezahl in dem Riesengebirge, Neudruck aus dem Jahre 1876).

Zwei Zauberer übernachten bei einem Bauer, dessen Frau in Geburtswehen liegt und einen Sohn gebiert. Die beiden Fremden werden um Gevatterschaft gebeten und lassen die Mutter wählen, ob sie als Patengeschenk eine immer volle Truhe mit Geld oder mit Getreide gefüllt haben will. Die Frau wählt das Getreide. Die Paten prophezeien noch dem Kinde, dass es die zu gleicher Zeit geborene Kaufmannstochter zur Frau bekommen werde, und verabschieden sich. Der Kaufmann erfährt von der Prophezeiung, besucht den Bauer und nimmt den Knaben zu sich, indem er verspricht, für ihn zu sorgen. Er wirft ihn jedoch auf dem Rückwege in einer Truhe in einen Fluss. Ein Müller fängt die Truhe auf, erzieht den Knaben und nennt ihn Rudolf. Nach 20 Jahren erfährt der stolze Kaufmann, welcher soeben in den Ritterstand erhoben werden soll, von dem Jüngling, besucht den Müller und schickt Rudolf mit einem Todesbrief zu seiner Frau. Unterwegs begegnet dem Boten einer der beiden Paten, nimmt ihm den Brief ab, zeigt ihm den Inhalt desselben und übergibt ihm einen anderen Brief, welcher den Befehl zur Heirat des Boten mit der Kaufmannstochter enthält. Der Kaufmann schickt nach seiner Rückkehr den Schwiegersohn in das Riesengebirge, um drei Goldfedern aus dem Haupte Rübezahls zu holen.

Rudolf kommt auf seiner Reise zu einem Fluss: der wilde, verzauberte Fährmann ersucht ihn, bei Rübezahl nachzufragen, wie lange noch seine Strafe dauern soll. Auf der weiteren Fahrt durchreist Rudolf drei Städte: in der ersten Stadt liegt eine unheilbar kranke Prinzessin, in der zweiten ist ein Heilbrunnen versiegt, in der dritten (Prag!) trägt ein Wunderbaum kein Heilobst mehr.

In der Nähe des Riesengebirges hört Rudolf von Rübezahl erzählen. Dieser hat die Gestalt eines fünfjährigen Knaben mit goldbefiedertem Haupt und ist mit einem weissen Hemdchen bekleidet. Soeben hat er seine Burg Kolešec auf sechs Tage verlassen, um seinen geliebten Papagei, welcher von einem Jäger gefangen wurde, zu befreien. Rudolf besucht die Burg Rübezahls, welche in der Mitte eines Teiches steht. Als er über die Brücke schreitet, drängen sich aus dem Wasser viele Fische zu der Brücke (es sind dies verzauberte Höflinge und Leute, welche sich der Burg nähern wollten). In der Burg empfängt Rudolf die Prinzessin Papilena und erzählt ihm ihre Geschichte: Rübezahl ist der Sohn des böhmischen Ritters Holdekron und einer sächsischen Gräfin. Die Hexe Medulina hatte ihn verzaubert, so dass er von seinem fünften Jahre an nicht mehr wuchs. Der Feind der Hexe, der mächtige Zauberer Trabison, hat ihn mit seinen Gehilfen
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Fritz Boehm (Hrsg.): Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 29. Jahrgang. Behrend & Co., Berlin 1919, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_des_Vereins_fuer_Volkskunde_29_036.png&oldid=- (Version vom 6.5.2018)