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Werke ‘Corpus Hamleticum I, 1: Das Glückskind mit dem Todesbrief’ (Berlin, Felber 1912) die sämtlichen orientalischen Texte in den Originalsprachen mit beigefügten Übersetzungen. E. Cosquin behandelte in zwei Aufsätzen (La légende du Page de Sainte-Elisabeth, Revue des questions historiques 1903. 1912) das Motiv der Todesbotschaft (‘der Gang nach dem Eisenhammer’), indem er den orientalischen Ursprung desselben, seine spätere selbständige Entwicklung und seine Unabhängigkeit von dem Motiv des Todesbriefes klarlegte. S. Grudzinski analysierte in der ‘Vergleichenden Untersuchung und Charakteristik der Sage vom Findelkind, das später Kaiser wird’ (Zs. f. rom. Phil. 36, 546. 1912) die mittelalterlichen Fassungen Westeuropas. Seine Arbeit wurde von W. Benary (ebd. 37, 617. 1913) besprochen und ergänzt. J. Bolte und J. Polívka stellten in den Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (I, 276 nr. 29. 1913) die sämtlichen bisher bekannten literarischen und volkstümlichen Texte übersichtlich zusammen. Antti Aarne zerlegte in seiner Studie ‘Der reiche Mann und sein Schwiegersohn’ (Hamina 1916) dieses, durch die handschriftlichen Sammlungen Finnlands ergänzte Material in die einzelnen Motive und stellte darauf die Ergebnisse über Urform, Entwicklung und Verbreitung der Erzählungsstoffe und Motive zusammen.

Die Geschichte vom Schicksalskind zeigt an einem konkreten Beispiel die Ohnmacht des menschlichen Willens, wenn dieser sich der Entscheidung des Schicksals widersetzen will. Ein Kind wird von seiner Geburt an zu einer Machtstellung in der Welt bestimmt. Der Machthaber bemüht sich erfolglos durch eine Reihe von Anschlägen gegen den Säugling, den Knaben, den Jüngling (den Bräutigam oder Gatten seiner Tochter) die Entscheidung des Schicksals zu vereiteln. Das Schicksalskind gelangt zu seiner Bestimmung: sein Feind muss sich beugen, wird bestraft, stirbt.

Die literarischen Texte dieser Erzählung bilden vier Gruppen: die indische, die (griechisch-)aethiopische, die westeuropäische und die türkische. Die indische Gruppe enthält die bisher ältesten Texte und zeigt drei Entwicklungsstufen.

Die buddhistischen Versionen tauchen bereits im dritten und fünften Jahrhundert auf, ihre Helden sind Boddhisattva selbst und sein Zeitgenosse Ghosaka. Die Boddhisattva-Legende ist nur in einer chinesischen Übersetzung aus dem 3. Jahrhundert bekannt. Boddhisattva wird als Kind eines armen Mannes geboren und von demselben während eines Festes auf einem Kreuzwege ausgesetzt. Ein Brahmane prophezeit dem an diesem Festtage geborenen Kinde Würde und Weisheit. Ein reicher Mann nimmt sich des Findelkindes an, trachtet ihm jedoch, nachdem ihm selbst ein Sohn geboren ist, nach dem Leben. Der Säugling wird in einen Graben geworfen, auf einem Fahrwege ausgesetzt, in ein Bambusdickicht geschleudert. Er wird jedoch von Schafen und Ziegen

Empfohlene Zitierweise:
Fritz Boehm (Hrsg.): Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 29. Jahrgang. Behrend & Co., Berlin 1919, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_des_Vereins_fuer_Volkskunde_29_023.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)