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zerreissen, wenn er irgend etwas von seinen Fähigkeiten gegen jemand verlauten lasse. Der Mann muss über das folgende Gespräch zwischen einer Stute und ihrem Füllen lächeln. Als er einmal seine schwangere Frau und seine zwei Kinder auf der trächtigen Stute in das Nachbardorf zu Verwandten bringt, hört er, wie die Stute ihrem Füllen, welches die Mutter bittet, es zu erwarten, über ihre schwere Last klagt, da sie fünf Personen tragen müsse. Das Märchen fährt dann in der gewöhnlichen Weise mit der Forderung der Frau, den Vorbereitungen des Mannes zum Sterben, der Rede des Hahnes und dem Prügeln der Frau fort. Der Hahn sagt, er halte 30 Weiber in Zucht, aber sein Herr könne nicht einmal mit einem fertig werden. Aber die Erzählung endigt nicht damit. Eines Tages verrät der Mann doch sein Können, und die von der Schlange verhängte Strafe geht in Erfüllung. Der Tod des Mannes und der furchtbare Kampf zwischen den Wölfen und den ihren Herrn verteidigenden Hunden wird mit kräftigen Zügen geschildert.

Die andere Variante findet sich in einer georgischen Märchensammlung, die ein gewisser Orbeliani um 1700 veranstaltet hat. Das Werk ist in einer russischen Übersetzung von Tsagareli unter dem Titel ‘Kniga mugrosti i lži’ erschienen. Woher der Verfasser die Märchen seiner Sammlung erhalten hat, ist nicht sicher bekannt, der Übersetzer des Werkes meint, sie seien hauptsächlich dem Volksmunde nacherzählt[1]. In Orbelianis Variante ist der Held des Märchens ein rechtschaffener Mann, der ein launenhaftes Weib hat. Als er einmal am Ufer eines Flusses sitzt und isst, wirft er etwas von seiner Mahlzeit in das Wasser; ein Mann steigt daraus hervor und lehrt ihn zum Lohn die Sprachen aller Tiere, indem er die Zunge in dessen Mund steckt. Der Mann lässt eine junge Krähe, die ihm die Augen ausbohren will, fliegen und bekommt von der alten Krähe Kunde von einem in der Erde vergrabenen Schatze. Darauf folgt die Episode von der trächtigen Stute, auf der der Mann seine schwangere Frau und sein Kind wegbringt, und das Gespräch zwischen der Stute und dem Füllen. Der Mann ist schon im Begriff, seiner Frau den Grund seines Lachens anzugeben, als er einen kleinen Hund mit Tränen in den Augen einem Hahne klagen hört, wie sein Herr seiner Frau wegen sterben müsse. Da versammelt der Hahn alle Hennen des Dorfes um sich, schreitet um sie herum und sagt zu dem Manne: „Ich habe 60 Weiber, und keine wagt auch nur ein Körnchen ohne meine Erlaubnis zu nehmen; du stirbst durch eine Frau.“ Er rät dem Manne, seine Frau zu prügeln, bis sie wie tot aussehe. Der Mann tut es auch und wird auf diese Weise vom Tode errettet.[2] – Aus den Anmerkungen zu Tsagarelis Übersetzung ersehen wir, dass dieses Märchen in Georgien allgemein bekannt ist[3].

Die tatarische und georgische Variante stimmen in der Episode von der Stute und in der Art der Erlernung der Tiersprache mit der serbischen überein. Wenn in der georgischen Fassung die Zunge in den Mund gesteckt wird, erinnert dies deutlich an das Speien in den Mund. In letzterer sei noch auf die Auffindung des Schatzes in der Erde hingewiesen, die, freilich in viel entwickelterer Form, auch in der serbischen und den finnischen Varianten vorkommt.

Sortavala, Finnland. Antti Aarne.

    (Calcutta 1905) wieder, wo ein Kuhhirt die Paarung einer Cobra mit einer anderen Schlange hindert und von ihr beim Schlangenkönig verklagt wird.]

  1. Tsagarelis Übersetzung, Vorwort, S. XI.
  2. Ebenda, Nr. 138, S. 152.
  3. Ebenda S. 196.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte (Hrsg.): Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 19. Jahrgang. Behrend & Co., Berlin 1909, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_des_Vereins_fuer_Volkskunde_19_303.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)