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Messen der Goldstücke, und die Brüder dingen den Helden des Märchens als Tagelöhner, als sie sehen, dass er viel Geld hat. In der Absicht, ihn zu töten, befehlen sie ihm, einen Heuschober zu machen; aber ein Vogel singt seinen Jungen zu: „Kommt, warmes Blut zu trinken, wenn der Bruder den Bruder erschlägt!“ und auch der Junge gibt zugleich an, dass er der Bruder seiner Herren sei. Er bleibt am Leben, und die Brüder verheiraten ihn.

In den finnischen Fassungen sind namentlich das Gespräch über die Körner und die Art und Weise, wie der Held des Märchens von dem unter dem Baume verborgenen Geldschatz erfährt, bemerkenswert. Von den Varianten, die Benfey anführt, hat die der Gesta Romanorum[1] als redende Tiere Spatzen, das Gespräch selbst aber ist ganz anders beschaffen. Von der Auffindung des Schatzes erzählt auch das serbische Märchen[2], indes erfolgt die Eröffnung nicht durch das Gespräch der Bäume, wie in den finnischen Varianten, sondern durch die in dem Baume sitzenden Raben: eine in den Märchen öfters vorkommende Episode. In Benfeys Material findet sich auch nichts vom Erscheinen der Diebe im Hause des Märchenhelden, während dieser im Walde ist, und von dem dadurch veranlassten Gespräch der Hunde. In welchem Umfang diese Züge in den später gesammelten Volksmärchen bekannt sind, vermag ich nicht zu sagen. Das Erscheinen der Diebe begegnet man wenigstens in einer kleinrussischen im Gouvernement Jekaterinoslav aufgezeichneten Variante, die ich nunmehr wiedergebe[3].

Die Sprache der Vögel und aller Tiere lehrt ein Greis einen armen Mann, der ihm ein Jahr lang dient, indem er einen Ofen heizt. Nachdem er seine Stelle aufgegeben, gedenkt der Mann in einer Schenke die Nacht über zu bleiben, setzt aber seine Wanderung doch fort, als er einen Raben sagen hört, die Schenke werde in der Nacht abbrennen. Er begegnet auf dem Wege einem anderen Mann, der ihn als Knecht dingt. Auf den Rat des Knechtes verbringen sie die Nacht in der Steppe und nicht in der Schenke, wie der Herr vorschlägt. Kaum sind sie eingeschlafen, da meldet ein kleiner Hund, der während des ganzen Marsches hinter dem Herrn herläuft, dass die Schenke brennt. Etwas später hört der Knecht Spatzen sagen, wie in dem Hause des Herrn Diebe Gold und Silber stehlen. Er teilt es dem Herrn mit, und sie eilen nach Hause. Die gestohlenen Sachen werden nach dem Bescheid, den der Mann aus dem Gespräch der Hunde erhält, gefunden. Nach all dem gewinnt der Herr seinen Diener so lieb, dass er ihm seine Tochter zur Frau gibt. Auf Veranstalten der anderen Kaufleute fragt die Frau ihten Mann nach seinem Wissen aus und dringt fortwährend in ihn, obgleich der Mann sagt, er müsse sterben, wenn er etwas verrate. Das Märchen schliesst wie gewöhnlich mit der Rede des Hahnes und der Bestrafung der Frau.

Die beiden folgenden Fassungen lassen eine auffallende Übereinstimmung mit der obenerwähnten serbischen Version erkennen. Die eine, eine tatarische, ist in Kaukasien[4] aufgezeichnet. Wie in so mancher anderen Variante lehrt die Tiersprache eine Schlange, der Schlangenkönig, dessen Tochter der Held des Märchens angeblich vor Schande bewahrt hat[5]. Die Erlernung der Sprache erfolgt durch Speien in den Mund. Die Schlangenprinzessin sagt, Wölfe würden den Mann sofort


  1. Orient und Occident 2, 163.
  2. Orient und Occident 2, 165 (Krauss, Sagen u. Märchen d. Südslaven 1, 439, Nr. 97).
  3. Manžura, Skazki poslovicz i. t. p. zapisannijja v Jekaterinoslavskoj i Charkovskoj gub. (Charkov 1890) S. 72.
  4. Sbornik materialov dlja op. mestn. i pl. Kavkaza 7, 98.
  5. [Dieser Eingang begegnet nicht nur in der einen malaiischen Fassung, sondern kehrt in einem Märchen der Marāthī bei Grierson, Linguistic survey of India 7, 90
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte (Hrsg.): Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 19. Jahrgang. Behrend & Co., Berlin 1909, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_des_Vereins_fuer_Volkskunde_19_302.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)