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so sehr hinter der Wirklichkeit zurück wie der Werth der Zählmethode ein ungenügender war. Denn wir erfahren sogar aus jenem Bericht noch, daß in Altona in dem der Zählung vorausgegangenem Jahr 14 Geisteskranke im Krankenhause behandelt wurden, im Zähljahr allerdings nur 6, daß also der Bestand die Zahl der Erkrankungen nur ungenau andeutet. Auch ersieht man daraus, daß im Altonaer Krankenhaus Heilungen oder doch Besserungen eingetreten sein müssen; über das dortige jüdische Krankenhaus wird noch beiläufig bemerkt, seine Einrichtung sei so unvollkommen, daß an Heilungen nach Aeußerung des Arztes nicht zu denken sei. Nicht gezählt sind im Bericht noch 2 Kranke, welche man in Tondern noch bei verschiedenen Schließern und Pförtnern in Verwahrung fand. Wenn das Sanitätscollegium dann auch noch auf eine nähere Controle der Privatinstitute antrug, so ist wieder ein Beweis gegeben, daß die oben gefundene Zahl noch zu gering ist. Ein solches Institut hatte z. B. eine ehemalige Hebamme in Aarebüll im Sundewittschen angelegt und sollen die meisten Einwohner von Hadersleben mit ihren Kranken zu ihr oder andern Quacksalbern gegangen sein. Jedenfalls dürfen wir also behaupten, daß damals mindestens 700 Kranke in den Herzogthümern waren; die Lauenburger schickten ihre Irren meistens nach Celle. Die Gesammteinwohnerzahl Schleswig-Holsteins betrug im Jahre 1803: 602 087 Einw. Wir haben somit eine werthvolle statistische Angabe, indem sich ein Procentsatz von mindestens gut 1/00 ergiebt, während wir jetzt wenigstens das Dreifache dieser Procentzahl haben bei verdoppelter Bevölkerung. Sehen wir ab von den Ungenauigkeiten der früheren Statistik, so erscheint das Wachsen der Krankenzahl doch recht bedeutend, besonders wenn man bedenkt, daß der hauptsächlichste Grund, nämlich das rapide Anwachsen der großen Städte, in unserer Provinz mit seinen traurigen Folgen erst später als anderswo hervorgetreten ist.

Da unsere Provinz sich so wie so schon in trauriger Weise auszeichnet durch die Anlage seiner Einwohner zu geistigen Störungen und zu Selbstmorden, so ist ein rasches

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Kirchhoff (Arzt): Die frühere Irrenpflege in Schleswig-Holstein
aus Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Band 20, S. 131-192
. Commissions-Verlag der Universitäts-Buchhandlung, Kiel 1890, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_fr_schles-20_0200.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)