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über Personen, die mir zweifellos Geisteskranke gewesen zu sein scheinen. Außerdem sind viele Schreiben über verwahrloste Individuen abgefaßt, die zur Correktion ins Zuchthaus kamen; ihr psychischer Zustand steht mindestens auf der Grenze des Pathologischen. Daneben finden sich auffallend viele Holzdiebe und Zigeuner.

Wir erfahren wieder, daß die Versetzung der Kranken ins Zuchthaus oder ins Dollhaus nicht nach bestimmten Principien geschah, sondern besonders abhängig war von zufälligen Verhältnissen wie Platzmangel, oder daß die Ansicht voranstand, man müsse die geistig gesunden Züchtlinge schonen. Diese arbeiteten ja und trugen dadurch zu ihrem Unterhalt bei; daher waren auch die Verpflegungskosten für die Irren durchweg höher. Wenn also noch wenig Humanität durchscheint, so berührt es um so erfreulicher, wenn man Aeußerungen echter Humaität begegnet wie in folgendem Falle. Es schwebten 1754 lange Verhandlungen über die Höhe der Verpflegungskosten für einen Ewald Lütje; er war schon 1741 dort gewesen, und scheint an einer alcoholischen Form der Erkrankung gelitten zu haben, denn nach Angaben der Schwester war er fast garnicht nüchtern; seine gewöhnliche Rede sei, er wolle sich aus dem Fenster stürzen, ertrinken, ein Unglück anstiften u. s. w. Es kam nun zur Frage ob er seiner Wahnsinnigkeit unbehindert die Arbeit zu verrichten im Stande sei und dann weniger für ihn zu bezahlen sei. Es heißt dann noch, wegen seiner krummen Finger eigne er sich höchstens zum Wollkratzen, nicht zum Spinnen; sicher werde er auch öfters wie solche Wahnsinnige schlimmere Intervalle haben, in denen er garnicht arbeiten könne, ferner könne man auf seinen geringen Verdienst um so weniger reflectiren, je gefährlicher es sei, einen seines Verstandes beraubten Menschen beständig bei den arbeitenden Züchtlingen in einem Zimmer sein und ihn gewisse Freiheiten eines vernünftigen Menschen genießen zu lassen, weil bei dieser eingeschränkten Lebensart sicher zu befürchten sei, daß seine Wahnsinnigkeit zu einer völligen Raserei ausschlagen dürfe. Und nun kommt man zu dem Schluß:

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Kirchhoff (Arzt): Die frühere Irrenpflege in Schleswig-Holstein
aus Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Band 20, S. 131-192
. Commissions-Verlag der Universitäts-Buchhandlung, Kiel 1890, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_fr_schles-20_0160.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)