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vermuthen und befürchten müssen, daß es überhaupt erlaubt war, sie ebenso wie die Züchtlinge mit Schlägen, gänzlichem Hungern, Anschließen an einen Block zu bestrafen, wie das Zuchthaus-Reglement vom 10. Dezember 1748 es vorschreibt. Wir müssen dabei aber bedenken, daß jene Zeit noch Härten kannte, die wir barbarisch nennen, denn am 3. Oktober 1732 wurde eine Verordnung erlassen, in der diejenigen, welche Züchtlinge absichtlich entwischen lassen, mit Verlust von Nase, Ohren und dgl. bedroht wurden. Daß man mit Recht darauf hielt, geisteskranke störende Insassen des Zuchthauses aus ihm zu entfernen, beweist ein Bericht von 1742, doch wird dabei mehr Rücksicht auf die Züchtlinge genommen und gedenkt nur der Pastor des schädlichen Einflusses einer aufgeregten auf eine andere ruhige Kranke, die sich auch im Zuchthause befand. 1741 war nämlich im November eine Thoden in’s Zuchthaus aufgenommen, die der Zuchthaus-Capitain gegen den Befehl der vorgesetzten Rentekammer auf Wunsch ihrer Freunde unter die andern Züchtlinge und nicht in eine geheime Kammer gebracht hatte. Der Amtsverwalter von Saldern berichtet nun im Dezember 1742, daß sie beinahe völlig rasend sei, unflätige Handlungen begehe, die Leute an der Arbeit hindere, den Gottesdienst störe, das Essen so zurichte, daß die Andern mit ihr nicht essen könnten. Er nennt es fast unchristlich, mit einer tollen Creatur unglückliche Menschen, die noch Vernunft haben, unglücklicher zu machen; die andern Leute wären vor ihr nicht sicher derbe geprügelt zu werden. Falls diese Person sich nicht ändere und in ihren exorbitanten Excessen fortfahre, Betten und Kleider ruinire, müsse andere Verfügung gemacht werden. Auch der Pastor berichtete, seines Wissens sei das Zuchthaus nicht vor Tollen Leuthen erbaut; sie störe den Gottesdienst. Wenn ein solcher halb rasender Mensch zu den anderen Gefangenen gebracht würde, so würde solches nicht nur eine unleidliche Strafe für sie sein, sondern es wäre auch zu befürchten, daß insbesondere die F., also eine andere Geisteskranke, dadurch ihres Verstandes völlig könne beraubt werden;

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Kirchhoff (Arzt): Die frühere Irrenpflege in Schleswig-Holstein
aus Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Band 20, S. 131-192
. Commissions-Verlag der Universitäts-Buchhandlung, Kiel 1890, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_fr_schles-20_0155.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)